Über „Das Geheime Deutschland“ schrieb Marcel Kehlberg in der Sezession (Dezember 2023):
„Das, was in Stefan Georges Zirkel von Karl Wolfskehl um 1910 auf den Begriff »Geheimes Deutschland« gebracht wurde, findet sich auf keiner Landkarte, ist keine fest umrissene Größe, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Und das, obwohl es tief unter den Wurzeln des tatsächlichen Deutschlands zu entdecken sein soll bzw. stets zu entdecken war und sein wird. Es handelt sich auch nicht um eine Loge, eine Partei oder esoterische Sekte, die im geheimen die Strippen zieht. Gleichwohl: Sollte es charismatische Begriffe geben, so gehörte dieser zweifellos dazu.
Seit dem Aufkommen einer Vorstellung wie eines Begriffs von einem zeitlosen Deutschland im geheimen ist es leichter anzugeben, was mit einem solchen Deutschland nicht gemeint ist. Das Geheime Deutschland ist kein Märchen, keine Utopie, kein Parteiprogramm, jedoch ein Mythos, der es freilich nie zu großer Popularität gebracht hat, was von seinen Anhängern auch keineswegs beabsichtigt war. (…)
Das Geheime Deutschland galt als geistiges Korrektiv jeder deutschen Realität, vor allem dann, wenn diese Realität einmal mehr in eine deutsche »Daseinsverfehlung« (Ernst Niekisch) abzugleiten drohte.
Es wurde verstanden als Mahnung und Erinnerung an eine deutsche Eigentlichkeit, eine genuin deutsche Berufung, an einen deutschen Geistes- bzw. Kulturadel sowie an ein deutsches Urbild, das historisch zu keinem Zeitpunkt erreicht wurde, obwohl es an Versuchungen zu vorschnellen Identifikationen nie mangelte.“
Ernst Kantorowicz definierte das geheime Deutschland ebenfalls sehr prägnant: „Es ist die geheime Gemeinschaft der Dichter und Weisen, der Helden und Heiligen, der Opferer und Opfer, welche Deutschland hervorgebracht hat und die Deutschland sich dargebracht haben.“