Werner Tübke (1929-2004) schuf in der DDR über elf Jahre das Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen. Tübke, der sich in frühen Arbeiten noch nah am sozialistischen Realismus bewegte, nutzte dieses monumentale Kunstwerk, um gewissermaßen in die innere Emigration zu gehen und Systemkritik zu üben, ohne daß den politischen Eliten auffiel, was sie hier eigentlich duldeten. Albrecht Dürer zählte zu seinen wichtigsten Vorbildern. Statt den Blick, wie politisch gewünscht, nach vorn zu richten, suchte Tübke in der Vergangenheit nach wichtigen Anknüpfungspunkten. Er war ein Renaissance-Mensch.

Das Bauernkriegspanorama kann als Absage an den historischen Fortschrittsglauben des Sozialismus verstanden werden. Zum Tod von Tübke würdigte ihn die FAZ als „wiedergeborenen Malermönch“:

„Tübke hinterläßt ein ausgedehntes und weitverzweigtes Werk, das sich so gründlich wie kein anderes der modernen Orthodoxie, ihren Konventionen und Vorschriften entzogen hat. Es hebt sich aus dem bunten Panorama der Gegenwartskunst durch beispiellose Extravaganz heraus. Als es vor etwa dreißig Jahren im Westen bekannt wurde, diskutierte man es als Phänomen der Postmoderne. Tübke konterte schon damals ironisch, er könne nicht postmodern sein, da er nie modern gewesen sei.

Sogleich faszinierten damals die zeichnerische Bravour, die magische Meisterschaft der Malerei und der Hochmut des Geschmacks, die noch einmal an Glanzzeiten europäischer Kunst erinnerten. Der notorischen Sinnkrise in der Westkunst, ihren Bildhemmungen und Verweigerungen in der Zeit von Neo-Dadaismus, Minimalismus, Monochromie und Concept Art stellte Tübke eine aufreizende Produktivität, eine unbändige Erfindungslust und vor allem seine Erneuerung der Ikonographie entgegen. (…)

Tübke glaubte bei aller Variabilität des Zeitgeists an anthropologische Konstanten und leitete von ihnen auch ästhetische Konstanten ab. Mit seinem Werk bewies er, daß die komplizierten alten Bildsprachen sich durchaus für eine Analyse moderner Geschichtskomplexe und schwieriger Seelenverfassungen eignen, ja daß sie dafür besser gerüstet sind als die vielfach eindimensionalen Methoden und Interpretationsmuster der modernen Ästhetik. (…)

Tübkes ehrgeizigster Anspruch und wohl größte Leistung war die Wiederbelebung und Rekonstruktion einer komplexen Ikonographie, die im Jahrhundert der Moderne demontiert worden war.“

Bezeichnend ist, daß Tübke in Westdeutschland weniger bekannt ist als in Italien. Werner Tübke prägte entscheidend die Leipziger Schule, die bis zu Neo Rauch führt. Daß dieser Neo Rauch einer der wenigen konservativen Künstler ist, der sich noch dazu in Interviews kritisch zum politischen Zustand äußert, dürfte auch etwas mit seiner Prägung zu tun haben.