„Das Abschmelzen der Eiskappe erlaubt es Frachtschiffen bereits, im Sommer die Nordwestpassage zwischen den kanadischen Inseln jeweils mehrere Wochen lang zu durchfahren, was die Transitdauer zwischen Europa und China um mindestens eine Woche verkürzt. 2014 fuhr das erste Frachtschiff die Strecke, ohne von einem Eisbrecher begleitet zu werden. (…) Die Polarroute war um 40 Prozent kürzer und verlief durch tiefere Wasser als jene durch den Panamakanal. (…) Man rechnet damit, dass die Route bis 2040 bis zu zwei Monate im Jahr befahrbar sein dürfte, was die Handelsverbindungen über den hohen Norden umgestalten und Domino-Effekte im fernen Ägypten und Panama haben wird, weil sich die Erträge durch die Kanäle dort verringern“, betont Tim Marshall in Die Macht der Geographie.
„Das zurückweichende Eis legt auch andere potenzielle Reichtümer frei. Es wird vermutet, dass es riesige Erdgas- und Erdöllagerstätten in den arktischen Regionen gibt, die dann zugänglich sind. Die United States Geological Survey schätzte 2008, dass in der Arktis 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas, 44 Milliarden Barrel nasses Erdgas (NGL) und 90 Milliarden Barrel Öl zu finden sind“. Sollten noch mehr Gebiete zugänglich werden, könnten „noch mehr Lagerstätten mit Gold, Zink, Nickel und Eisen entdeckt werden“.
Um die Vorherrschaft in der Arktis dürften deshalb die Großmächte in den nächsten Jahren ringen. Die besten Voraussetzungen habe dabei Rußland mit 44 Eisbrechern. Die USA haben hingegen nur einen einsatzfähigen schweren Eisbrecher, berichtet Marshall.
Literatur: Tim Marshall: Die Macht der Geographie. Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt. München 2022.