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„Die Chinesen sehen die Gesellschaft völlig anders als der Westen. Die westliche Denkweise kreist um die Rechte des Einzelnen, die chinesische stellt die Gemeinschaft über das Individuum. Was der Westen als Menschenrechte betrachtet, ist für die chinesische Führung eine gefährliche Theorie, die die Mehrheit bedroht, und die Bevölkerung akzeptiert, dass – mindestens – die erweiterte Familie vor dem Individuum kommt“, betont Tim Marshall in Die Macht der Geographie.

Weiter heißt es in dem Buch: „Nachdem es 4000 turbulente Jahre mit der Konsolidierung seiner Landmasse verbracht hat, ist China jetzt dabei, eine Hochseemarine aufzubauen. Eine Küstenmarine patrouilliert entlang den Seegrenzen, eine Hochseemarine operiert auf den Weltmeeren. Es wird weitere dreißig Jahre dauern (den ökonomischen Fortschritt vorausgesetzt), bis China Marinekapazitäten entwickelt hat, die die größte Seemacht herausfordern können, die die Welt bislang gesehen hat – die US-Marine.“

Ein neuralgischer Punkt ist dabei vor allem die Straße von Malakka. China muß sie nutzen, „um nach Westen zu den Energie fördernden Staaten am Golf zu gelangen“. 80 Prozent des Energienachschubs hängen hiervon ab. Das Problem: Die Straße von Malakka ist an der schmalsten Stelle nur drei Kilometer breit und alle umliegenden Staaten sind Verbündete der USA. Noch einmal Marshall: „China muß die Wasserwege im Südchinesischen Meer sichern, damit zum einen seine Waren die Märkte erreichen und zum anderen die Rohstoffe für ihre Produktion – darunter Öl, Gas und Edelmetalle – China erreichen können. Es kann sich keine Blockade leisten. Eine Lösung ist Diplomatie, eine andere die stetig wachsende Marine. Doch die beste Garantie bieten Pipelines, Straßen und Häfen.“ Vor diesem Hintergrund wird die Initiative der Neuen Seidenstraße besonders verständlich.

Literatur: Tim Marshall: Die Macht der Geographie. Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt. München 2022.

Recherche D, Heft 21: Eigentum, Handel und Schlüsselindustrien in China.

Recherche D, Heft 5: Im Gespräch mit Marcus Hernig: Fortschritt ohne Machbarkeitsstudie. China und die Seidenstraße