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Die Türkei verfolgt die Vision, die Gebiete aller umliegenden Meere zu dominieren. Diese Vision heißt „Blaues Vaterland“ (Mavi Vatan). Sie zielt sowohl auf das Schwarze Meer als auch das Mittelmeer. Tim Marshall meint, Präsident Erdogan sehe die „historische Bestimmung der Türkei“ darin, „die globale Supermacht zu werden, die den dekadenten Westen ablöst“. Ideologisch wird diese geopolitische Ausrichtung mit einer verstärkten Hinwendung des Staates zum Islam unterstützt.

Erdogans Problem besteht jedoch darin, daß sein Expansionskurs in der arabischen Welt auf Widerstand stößt. Marshall dazu: „Als Ankara auf die Idee kam, ein Player im Nahen Osten zu werden, geriet es damit automatisch auf Kollisionskurs mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ägypten wiederum, das sich traditionsmäßig als die führende arabische Nation betrachtet, war schon gar nicht geneigt, die ‚Neoosmanen‘ an Einfluss gewinnen zu lassen.“

Die Aussichten der Türkei, der Europäischen Union beizutreten, werden zunehmend illusorisch. Der Status als ewiger Beitrittskandidat hat für die Türkei dennoch Vorteile. Die Türkei erhält dadurch eine „Heranführungshilfe“ in Milliardenhöhe. Wie die Türkei die Mitgliedschaft in der NATO ausfüllt, ist ebenfalls Gegenstand fortdauernder Diskussionen. Aus Sicht Europas dürfte diese Mitgliedschaft indes zu begrüßen sein, um die Territorialstreitigkeiten mit Griechenland halbwegs zu befrieden.

Literatur: Tim Marshall: Die Macht der Geographie im 21. Jahrhundert. 10 Karten erklären die Politik von heute und die Krisen der Zukunft. München 2023.