Während Deutschland immer weiter abrutscht, hat Singapur bei der PISA-Studie von 2022 in allen Disziplinen gewonnen. Der Abstand zwischen den Schülern aus Singapur und Deutschland beträgt drei bis fünf Schuljahre, heißt es in einer Reportage des Deutschlandfunks. Woran liegt dieser Erfolg Singapurs?
Zum einen konnte Singapur noch nie auf eigene Bodenschätze zurückgreifen. Wissen ist seit jeher die einzige und wichtigste Ressource. Zum anderen wird der Erfolg auf die „Kiasu“-Kultur zurückgeführt. Es handelt sich dabei um die „Angst, etwas zu verpassen“. Diese Angst führe zu einem intensiven Wettbewerb zwischen den Schülern, der zuweilen ungesunde Züge annimmt. Im Gegensatz zu Estland setzt Singapur auf eine starke Digitalisierung der Klassenzimmer. Ob dies Vor- oder Nachteil ist, möge jeder selbst entscheiden. Fakt scheint indes eins zu sein: Da Singapur als „semi-autoritäres System“ (Titus Gebel) einzustufen ist, gibt es eine langfristig ausgerichtete Bildungspolitik. Es ist also nicht möglich, jedes zweite Jahr ein anderes Bildungsexperiment zu starten, wie das in Deutschland der Fall ist. Letztendlich konnte so trotz des immensen Wettbewerbs die Ungleichheit minimiert werden.
Neben der vorbildlichen Bildungspolitik wird auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik Singapurs vielfach gelobt. Titus Gebel schreibt dazu in seinem Buch über „freie Privatstädte“: „Singapur hat sich seit der Unabhängigkeit 1965 innerhalb von 50 Jahren zu einer der reichsten Städte der Welt entwickelt. Der Stadtstaat schaffte innerhalb einer Generation den Sprung vom Entwicklungsland zu einer Industrienation und verfügt heute über mehr als fünfeinhalb Millionen Einwohner. (…) Trotz seiner großen wirtschaftlichen Freiheiten ist Singapur auch ein Wohlfahrtsstaat.“ Singapur habe zudem „eine für seine Größe beachtliche Armee mit modernen Kampfpanzern, Flugzeugen, Schiffen und sogar U-Booten“. Aus deutscher Sicht muß vor allem die Frage interessieren, wie unser Hochsteuerland mit Städten und Sonderwirtschaftsregionen wie Singapur ökonomisch in Konkurrenz treten soll. Brauchen wir also auch „freie Privatstädte“ und „Sonderwirtschaftsregionen“, um zumindest punktuell mithalten zu können?
Ebenfalls mit Singapur beschäftigt hat sich der Publizist Benedikt Kaiser im Freilich-Magazin über „aufsteigende Mächte“ (August 2024). Sein Fazit: „Konservative, sozialistische und kapitalistische Ideenansätze verschmelzen hier wie dort mit genuin ‚asiatischen Werten‘ wie Fleiß, Disziplin, Bereitschaft zur Unterordnung und gegenseitigen Respekt. Womöglich kann man von einem modernen Staatskapitalismus mit spezifisch singapurischen Charakter sprechen; in jedem Fall von einer Erfolgsgeschichte als einem ambivalenten Sonderweg, der Singapur weder in Abhängigkeit vom kollektiven Westen, noch von China führte“.