Thomas Bargatzky, geboren 1946 in Brannenburg am Inn, ist ein pensionierter Professor für Ethnologie.
Biographie
Bargatzky studierte ab 1969 Ethnologie, Altamerikanistik und Soziologie in München und Hamburg. 1977 wurde er mit einer Dissertation zum Thema „Die Rolle des Fremden beim Kulturwandel“ an der Universität Hamburg promoviert. 1988 erfolgte seine Habilitation an der Universität München und Ernennung zum Privatdozenten. Danach bekleidete er Vertretungsprofessuren an den Universitäten Tübingen (Lehrstuhlvertretung) und Heidelberg. 1990 wurde er zum Professor (C3) für Ethnologie an die Universität Bayreuth berufen. Im Oktober 2011 ging er in Pension.
1994 war er Foreign Visitor am East-West Center in Honolulu, Hawaii. 1998 verschlug es ihn für eine Gastprofessur an die Universität Wien. 2007 und 2009 war er Visiting Scholar an der Indiana University of Bloomington, Indiana (USA).
In den 1980er- und 90er-Jahren führte er ethnologische Feldforschungen in Samoa (Polynesien) durch. Zudem führten ihn mehrere Forschungsreisen in den nordamerikanischen Südwesten. Seine Arbeitsschwerpunkte sind der Zusammenhang zwischen Kultus und Produktion, traditionale politische Strukturen, interkulturelle Kommunikation und Sicherheitspolitik.1https://www.ufb.uni-bayreuth.de/de/mitglieder/thomas-bargatzky/index.html
Bargatzky war darüber hinaus publizistisch für die Wochenzeitung Junge Freiheit, die Sezession und Geolitico tätig.
Positionen
Nationalstaat
Den Nationalstaat hält Bargatzky für die Europa angemessene Form der politischen Organisation, in deren Rahmen die Entsolidarisierung der Gesellschaft verhindert und Fehlentwicklungen des Marktes korrigiert werden können. In seinem Buch Der große Wahn schreibt Bargatzky: Als Arena des „Ringens um die Partizipation breiter Schichten an den politischen Entscheidungsprozessen bildete sich der Nationalstaat heraus (…) der über kulturelle Differenzen hinweg einen Verständigungsschirm für die Bürger eines zumindest idealiter sprachlich und kulturell einheitlichen Staatsgebiets aufspannt“. Dadurch „macht er die Verständigung der am Produktionsprozess Beteiligten über ihre Interessen, die Organisation des politischen Kampfes für diese Interessen und die Konsensbildung überhaupt erst möglich“.2Thomas Bargatzky: Der große Wahn. Der neue Kalte Krieg und die Illusionen des Westens. Baden-Baden 2020, S. 264 Daher sei der Nationalstaat keine Auslaufform der Geschichte und verdiene es, bewahrt zu werden.
EU und Europa
Die Errichtung eines postnationalen Europas sei angesichts der kulturellen Diversität des Kontinents gescheitert. Die EU als zentralisierte Machtstruktur mit fragwürdiger demokratischer Legitimation habe sich zu einer Organisation entwickelt, die dabei ist, ihre Mitglieder in einen realen Krieg mit Rußland hineinzuziehen. Diese EU wird von den USA als Instrument globaler Machtprojektion betrachtet, wie Bargatzky u.a. anhand von Zitaten der amerikanischen Politikerin Condoleezza Rice nachweist.3Ebd., S. 72-74
Islam
Was den westlichen Blick auf den Islam angeht, stellt Bargatzky fest, so werde dieser heute „durch die starke und einseitige Fokussierung auf die Verlautbarungen von muslimischen Neofundamentalisten und die monströsen Handlungen von terroristischen Dschihadisten und Selbstmordattentätern verzerrt“4Ebd., S. 285. Man solle sich vielmehr den bereits schon lange im Lande lebenden bzw. hier geborenen Muslimen zuwenden, denn diese stünden in der Regel in scharfer Gegnerschaft zu den Islamisten. „Muslime und Christen, die ihre Religion ernst nehmen, haben jedenfalls manches, das sie miteinander verbindet und in der Abwehr der Folgen der Radikalsäkularisierung zu Verbündeten machen könnte“.5Ebd.
Religion
Die ethnologische Beschäftigung mit dem Phänomen der Religion bezeichnet Bargatzky als eine „empirische Wissenschaft“. Es werde versucht, Aussagen zu treffen über die „Beziehungen zwischen Religion und Gesellschaft“. Ein „Vergleich verschiedener Kultur- und Religionsformen“ soll dabei zu „Erklärungen religiöser Phänomene“ führen. Sich dabei nur auf „Hochkulturen“ zu fokussieren, sei jedoch falsch. Bargatzky wirbt dafür, zur „Erweiterung der Vergleichsbasis“ auch „sogenannte ‚primitive Gesellschaften'“ heranzuziehen.
Der Forscher habe dabei eine „methodische Indifferenz bezüglich des Wahrheitsgehalts religiöser Überzeugungen“ zu wahren und müsse sich bemühen, „Fremdkulturliches als etwas aus einer Vielzahl von historischen, umweltmäßigen, sozialen, genetischen usw. Faktoren Hervorgegangenes zunächst zu verstehen (…), ohne eigenen privaten und eigenkulturlich bedingten Werturteilen einen Platz bei diesem Prozeß einzuräumen.“6Thomas Bargatzky: Das Phänomen der Religion aus ethnologischer Sicht: Ein Beitrag zum Dialog mit der Religionsphilosophie, in: Saeculum 35, 1984, S. 372-380
Leitkultur und Parallelgesellschaften
In der Jungen Freiheit schaltete sich Bargatzky 2006 in die „Leitkultur“-Debatte anläßlich der Fußball-Weltmeisterschaft ein:
„Der Globalisierung zum Trotz ist im Westen die Nation immer noch die umfassendste identitätstiftende menschliche Symbioseform, die zur Identifikation einlädt und Identifikation möglich macht. Nur sie kann die Aufgabe lösen, in einer Zeit des verstärkten Migrationsdrucks den Bewohnern eines bestimmten staatlichen Gebildes, welchen ethnischen Hintergrund auch immer sie haben mögen, gewisse gemeinsame Überzeugungen und Orientierungen näherzubringen, ohne die ein Gemeinwesen nicht bestehen kann. Die Zugewandtheit zur Nation hat einen Namen: Patriotismus.“
In der Sezession erklärte Bargatzky 2011, welche Probleme „Parallelgesellschaften“ bringen:
„Die Etablierung von Parallelkulturwelten in modernen nationalstaatlich verfaßten Kommunikationsräumen weist zurück auf den Ständestaat; sie zerstört die kommunikativen Grundlagen lebensfähiger moderner Wirtschaftsräume und schadet damit nicht zuletzt auch den Interessen der arbeitenden Bevölkerung. (…)
Wer sich als Professor oder Politiker, Publizist oder PastorIn an »bunten Republiken« erfreut, verrät einen infantilen Mangel an Einsicht in das Zusammenspiel von Kultur und moderner Gesellschaft. Denn unterhalb dieser nationalen Referenzkultur bleibt zwar Raum für die kulturelle Mannigfaltigkeit regionaler Dialekte und Brauchtumsformen. Diese Unterschiede dürfen aber keine politische Rolle spielen; der Schirm der verallgemeinerten nationalen Referenzkultur muß aufgespannt bleiben, der einzelne muß sich, bei allen realen kulturellen Unterschieden, dieser Kultur zugehörig fühlen. In Jugoslawien etwa brach Anfang der neunziger Jahre dieser Schutzschirm zusammen. Dieses Beispiel macht deutlich, daß die Nation ein fragiles Gebilde ist.“
Veröffentlichungen (Auszug)
2023: Mandala ohne Zentrum. Hierarchie und politisches Zeremoniell in Samoa
2020: Der große Wahn. Der neue Kalte Krieg und die Illusionen des Westens
2019: Mana, Macht und Mythos. Tradition und Moderne in Australien und Ozeanien
2007: Mythos, Weg und Welthaus. Erfahrungsreligion als Kultus und Alltag
1985: Einführung in die Ethnologie. Eine Kultur- und Sozialanthropologie
Wikipedia-Korrektur
Wikipedia macht Bargatzky zum Lehrstuhlinhaber. Das ist falsch. Gegenüber Recherche D betonte er zudem: „Die Charakterisierung als zur ’neuen religiösen Rechten‘ gehörig ist geradezu grotesk.“ Bargatzky vertritt lediglich die Meinung, daß „das Christentum Grundlage der westlichen Kultur ist“.7Europas christliche Identität und die „säkulare Rationalität“. In: zum 85 Geburtstag. Festschrift für den Heiligen Vater Papst Benedikt XVI. Georg Ratzinger u. Roger Zörb (Hrsg.), 2012 Zu seinem negativen Werturteil kommt Wikipedia auf Basis eines anonymen Denunziationsartikels ohne korrektes Impressum. Dabei wäre es ohne Probleme möglich, Primärquellen zu zitieren, statt einer fragwürdigen Sekundärquelle zu vertrauen.