Peter Sloterdijk, geboren am 26. Juni 1947, ist Philosoph und Sprachartist.

Biographie

Sloterdijk studierte von 1968 bis 1974 in München und Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1976 wurde er promoviert. Nach seiner Promotion reiste er für mehrere Jahre nach Indien. Seit den 1980er-Jahren arbeitet er, Eigenangaben zufolge, als „freier Schriftsteller“. 1983 erschien seine Kritik der zynischen Vernunft. Von 2001 bis 2015 war Sloterdijk Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.1https://petersloterdijk.net/vita/

Zitate und Positionen

Zur Welt kommen – Zur Sprache kommen (1988)

„Wo das neubürgerliche Geschwätz herrscht, entsteht ein Hunger nach essentiellen Zeichen, nach blutigen Ritzungen und Brandzeichen der Existenz.“2Peter Sloterdijk: Zur Welt kommen – Zur Sprache kommen. Frankfurter Vorlesungen. Frankfurt/Main 1988. S. 18

Im selben Boot. Versuch über die Hyperpolitik (1995)

Unter Hyperpolitik versteht Sloterdijk die „überschnelle Fahrt in ein Konfusions-Imperium, in dem man vor lauter Behörden den Staat nicht mehr sieht.“3Peter Sloterdijk: Im selben Boot. Versuch über Hyperpolitik. Frankfurt/Main 1995. S. 59

Er prognostiziert, daß „nennenswerte Teile der Bevölkerungen allem Politischen mit feindseliger Gleichgültigkeit den Rücken kehren“4Ebd. S. 57 werden. Zudem spricht Sloterdijk über neue Erfolgschancen für Konservative:

„Das Motiv ‚konservative Revolution‘, das vor zwei, drei Generationen in den katholisierenden Widerstandsbewegungen in Mittel- und Südeuropa erprobt wurde, hat vermutlich eine große unterkulturelle Karriere vor sich – unter religiösem, kulturalistischem, regionalistischem Vorzeichen.“5Ebd.

Regeln für den Menschenpark (1999)

„Auch in der Gegenwartskultur vollzieht sich der Titanenkampf zwischen den zähmenden und den bestialisierenden Impulsen und ihren jeweiligen Medien. Schon größere Zähmungserfolge wären Überraschungen angesichts eines Zivilisationsprozesses, in dem eine beispiellose Enthemmungswelle anscheinend unaufhaltsam rollt.“6Peter Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus. Frankfurt/Main 1999. S. 46

„Es gehört zur Signatur der Humanität, daß Menschen vor Probleme gestellt werden, die für Menschen zu schwer sind, ohne daß sie sich vornehmen könnten, sie ihrer Schwere wegen unangefaßt zu lassen.“7Ebd., S. 47

Im Weltinnenraum des Kapitals (2005)

„Wo die Würde der Abstände negiert wird, schrumpft die Erde mitsamt ihren lokalen Ekstasen auf ein Beinahe-Nichts zusammen, bis von ihrer königlichen Ausgedehntheit nicht mehr als ein abgegriffenes Logo übrigbleibt.“

Theorie der Nachkriegszeiten (2008)

„Wenn man – von einem deutschen Beobachtungsstandpunkt aus – den Bewußtseinswandel der Europäer in der Zeit nach 1945 in einem einzigen Satz zusammenfassen sollte, müßte er summarisch folgenden Sachverhalt zum Ausdruck bringen: Die Bewohner dieses Erdteils, erschöpft von den Exzessen und Verausgabungen der Ära von 1914 bis 1945, haben den geschichtlichen Passionen den Rücken gekehrt, um anderen Stelle einen nach-geschichtlichen modus vivendi zu entwickeln. (…) In diesem Sinn ist für Europäer ‚Geschichte‘ eine abgelegte Option. Mit ihrem Eintritt in den Katastrophenschatten haben sie sich gegen den tragischen und epischen Stil des Daseins entschieden. (…) In einer anderen Perspektive würde man sagen, die Europäer betrieben keine Kriegsvorbereitung mehr, vielmehr beschäftigte sie nur noch die Sorge um die Konjunktur. Sie haben den militärischen Göttern abgeschworen und eine Bekehrung vom Heroismus zum Konsumismus vollzogen.“8Peter Sloterdijk: Theorie der Nachkriegszeiten. Frankfurt/Main 2008

Du mußt dein Leben ändern (2009)

„Sein Leben ändern heißt nun: durch innere Aktivierungen ein Übungssubjekt heranbilden, das seinem Leidenschaftsleben, seinem Habitusleben, seinem Vorstellungsleben überlegen werden soll.“9Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik. Frankfurt/Main 2009. S. 306

Kultur im strengen Sinn entsteht Sloterdijk zufolge nur durch „Aufschwünge ins Übernatürliche“. Vehement widerspricht Sloterdijk in dem Buch dem Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu, das von einer „Inkorporation“ von Tugenden und Verhaltensweisen ausgeht. Letztendlich würden somit Eliten nur von außen gemacht werden. Sloterdijk dagegen steht auf der Seite der leistungsbereiten Trainierenden. „Alle Steigerungen geistiger und leiblicher Art beginnen mit einer Sezession von der Gewöhnlichkeit“, betont er.10Ebd., S. 338 Dieser Vorgang führe allerdings unweigerlich zu schwersten Konflikten zwischen dem Volk und jenen, die sich davon abgesondert haben: „Die Sezession von der Gewöhnlichkeitswelt als erste ethische Option führt eine unbekannte Spaltung in die Welt ein. Sie zertrennt. nicht nur die Menschheit asymmetrisch in die Gruppen der Wissenden, die weggehen, und der Unwissenden, die am Ort des vulgären Verhängnisses bleiben, sie impliziert unvermeidlich die Kriegserklärung der ersten an die zweiten.“

Der gegenwärtigen Elite wirft Sloterdijk nun darauf aufbauend vor, sie wisse nicht mehr, ob sie mit der Veränderung der eigenen Persönlichkeit oder gleich der Weltrettung beginnen solle. „Du mußt die Welt ändern, damit du, wenn sie im richtigen Sinn umgestaltet ist, dich guten Gewissens an sie anpassen kannst. Die Moderne ist die Zeit, in der die Menschen, die den Appell zur Veränderung hören, nicht mehr wissen, womit sie beginnen sollen: mit der Welt oder mit sich selbst – oder mit beidem zugleich.“11Ebd., S. 506 Im schlimmsten Fall führt dieser Antrieb zur Weltrettung in den Totalitarismus. Den Globalismus sieht Sloterdijk folgerichtig als eine „real voranschreitende Integrationskatastrophe“.12Ebd., S. 707

Die schrecklichen Kinder der Neuzeit (2014)

„Es werden auf den Feldern moderner Politik und Kultur stets mehr Täuschungen, Wahnkonzepte und Angebote an die Deliriumsbereitschaft des Publikums in die Welt entlassen, als je in realistische Vorhaben re-integriert werden können.“13Peter Sloterdijk: Die schrecklichen Kinder der Neuzeit. Berlin 2014. S. 88

Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers (2023)

„Der moderne Fiskalstaat demonstriert mit ruhiger Eindringlichkeit, wie er von jedem Überschuß für sich das Seine abzuzweigen weiß – und dies bis zur Hälfte aller Werterzeugnisse.“14Peter Sloterdijk: Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers. Berlin 2023. S. 51

„Der Zusammenhang zwischen luxurierenden Konstrukten nicht-binärer nicht-reproduktiver Sexualität und fossilenergetisch entlasteten Lebensstilen bzw. Beziehungsformen ohne Hingabeopfer wird allerdings so gut wie nirgendwo reflektiert.“15Ebd., S. 58 Sloterdijk weist in diesem Essay daraufhin, daß Klimaneutralität die Rückkehr zum Einsatz der Muskelkraft anstelle industrieller Energie erforderte. Das hieße, es müßten für die Aufrechterhaltung des aktuellen Wohlstands für eine Person „zwanzig bis fünfzig Haushaltssklaven“16Ebd., S. 55 arbeiten.

Veröffentlichungen (Auszug)

2023: Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers

2014: Die schrecklichen Kinder der Neuzeit. Über das anti-genealogische Experiment der Moderne

2009: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik

2008: Theorie der Nachkriegszeiten: Bemerkungen zu den deutsch-französischen Beziehungen seit 1945

2005: Im Weltinnenraum des Kapitals. Zu einer philosophischen Geschichte der terrestrischen Globalisierung

1999: Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus

1995: Im selben Boot. Versuch über die Hyperpolitik

1988: Zur Welt kommen – Zur Sprache kommen. Frankfurter Vorlesungen

1983: Kritik der zynischen Vernunft

Wikipedia-Korrektur

Der Wikipedia-Beitrag über Sloterdijk arbeitet sich hauptsächlich an beiläufigen politischen Äußerungen ab, um dann Kritikern dieser Äußerungen Raum zu bieten. Zudem wird per Kontaktschuld ein Nebenkriegsschauplatz um AfD-Europaabgeordnete Marc Jongen aufgemacht. Ausführliche Zitate von Sloterdijk finden sich dagegen nicht. Es läßt sich daher vermuten, daß die Wikipedia-Autoren seine Bücher nicht einmal gelesen haben.

Fußnoten