Norbert Häring, geboren 1963, ist Wirtschaftsjournalist, Spiegel-Bestsellerautor und Blogger.
Biographie
Laut eigenen Angaben wuchs Häring auf einem Bauernhof in Baden-Württemberg auf. Ein Schüleraustausch in Peru und Bolivien motivierte ihn, Volkswirtschaftslehre zu studieren. Nach seinem Studium in Heidelberg und Saarbrücken schrieb er bei Olaf Sievert seine Doktorarbeit, die 1995 unter dem Titel „Regionalpolitik und Finanzverfassung in einem probabilistischen Modell des politischen Wettbewerbs“ veröffentlicht wurde.
Bei der Commerzbank war Häring als Konjunkturanalyst und später als Redenschreiber tätig. Seit 1997 arbeitet er als Wirtschaftsjournalist: zunächst für die Börsen-Zeitung und die Financial Times Deutschland. Seit 2002 schreibt er für das Handelsblatt.
2007 erhielt er für das Buch Ökonomie 2.0 den Wirtschaftsbuchpreis. 2014 folgte eine Auszeichnung durch die Keynes-Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik.1https://norberthaering.de/lebenslauf/2https://www.handelsblatt.com/autoren/norbert-haering-1377222/1986060.html
Endspiel des Kapitalismus (2021)
Häring schrieb 2021 mit Endspiel des Kapitalismus. Wie die Konzerne die Macht übernahmen und wie wir sie zurückholen einen Spiegel-Bestseller. Er widmet sich in dem Buch der Frage, warum in der Corona-Krise vor allem die Tech-Konzerne massiv profitierten und die Aktienkurse in die Höhe schossen, während kleine und mittlere Unternehmen von Zwangsschließungen in ihrer Existenz bedroht wurden. Häring erkennt darin lediglich die Spitze des Eisberges, da „in den letzten vier Jahrzehnten eine zunehmende Umverteilung der Vermögen von Konsumenten und Arbeitnehmern zu den großen Kapitalgesellschaften“ stattfand.
„Erstere bezahlten als Konsumenten mehr und erhielten als Arbeitskräfte weniger, gleichzeitig mussten sie einen höheren Anteil am gesamten Steueraufkommen zahlen. Die Konzerne dagegen steigerten ihre Gewinne und reduzierten ihre Steuerquoten. Innerhalb der Unternehmenswelt kam es zu einer Umverteilung der Marktanteile von klein zu groß.“3Endspiel des Kapitalismus 2021, S. 174
Zur Erklärung dieser Fehlentwicklung beruft sich Häring zum einen auf Katharina Pistor, die erklärt hat, wie verheerend sich die Durchsetzung der Gründungstheorie gegenüber der Sitztheorie auswirkte. Vereinfacht: An die Stelle eines nationalen Rechtsrahmens trat eine globale Rechtlosigkeit, die Konzerne zu ihren Gunsten ausnutzen können.
Zum anderen untersucht Häring die Lobbygruppen des Kapitals. Dazu zählt er zum Beispiel das Weltwirtschaftsforum. „Das Forum und seine Beschäftigten sind von Schweizer Steuern befreit und können bei Bedarf die Unterstützung der schweizerischen diplomatischen Vertretungen im Ausland in Anspruch nehmen“, kritisiert er.4Ebd., S. 41
Im Pharmabereich weist er nach, daß „der Regulierer“ vom „zu Regulierenden gekapert“ wurde.
„In der Praxis gestaltet sich das wie folgt: Drei Interessenvertreter gewinnorientierter Pharmakonzerne arbeiten gleichberechtigt und ‚im Konsens‘ mit Regulierern, die ihnen an Ressourcen massiv unterlegen sind, Standards dafür aus, was als hinreichend wirksames und sicheres Medikament auf die Menschheit und die Steuerzahler losgelassen werden soll.“5Ebd., S. 87
Ein weiterer Kritikpunkt: Unter den aktuellen Gegebenheiten erweise sich „Kapital als Hemmschuh für die Produktion“. Die Konzerne gingen dazu über, „zugunsten der Gewinnmaximierung weniger zu produzieren, als technisch optimal und kostendeckend absetzbar wäre“6Ebd., S. 124f. Diese Strategie kommt bei Herausbildung von Monopolen bzw. Quasi- oder Fast-Monopolen zur Anwendung. Bei einem funktionierenden marktwirtschaftlichen Wettbewerb hingegen sinken die Preise der Endprodukte.
Die geopolitischen Verwerfungen zwischen den USA und China analysierte Häring in seinem Buch wie folgt:
„Die US-Regierung geht davon aus, dass sie im offenen Wettbewerb um die Vorherrschaft mit dem 1,4 Milliarden-Einwohner-Land China auf Dauer nicht bestehen kann. Da die nationale Sicherheit mit globaler Dominanz gleichgesetzt wird, kommt es nicht infrage, China diesen Status zu überlassen. Die langfristige Strategie, mit der sich die chinesische Seite notgedrungen abgefunden hat, besteht daher darin, die Einflusssphären zu trennen, um zu einem bipolaren System zu kommen. Die chinesischen Konzerne werden aus der US-Einflusssphäre ausgegrenzt, China macht umgekehrt dasselbe.“7Ebd., S. 233
Statt eines zügellosen, globalen, neofeudalistischen Kapitalismus, der eine Herrschaft der Reichen bedeutet, spricht sich Häring für die soziale Marktwirtschaft aus.8Ebd., S. 281ff
Veröffentlichungen (Auszug)
2021: Endspiel des Kapitalismus: Wie die Konzerne die Macht übernahmen und wie wir sie zurückholen
2018: Schönes neues Geld: PayPal, WeChat, Amazon Go – Uns droht eine totalitäre Weltwährung
2016: Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen
2007: Ökonomie 2.0 – 99 überraschende Erkenntnisse
1995: Regionalpolitik und Finanzverfassung in einem probabilistischen Modell des politischen Wettbewerbs
Wikipedia-Korrektur
Gegenüber Recherche D bezeichnete Norbert Häring den über ihn angelegten Wikipedia-Beitrag als „fair“, aber „nicht ganz vollständig“. Aus diesem Grund haben wir Auszeichnungen sowie eine Kurzzusammenfassung seines Spiegel-Bestsellers ergänzt.