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Boris Reitschuster, geboren am 12. Mai 1971 in Augsburg, leitete von 1999 bis 2015 das Moskau-Büro des Focus und zählt inzwischen zu den reichweitenstärksten alternativen Journalisten. Er betreibt die Internetseite reitschuster.de.

Biographie

Bei einem Jugendaustausch mit der Sowjetunion im Jahre 1988 erlag Boris Reitschuster nach eigenen Angaben „der Faszination des Landes und einer konkreten Bewohnerin“. Im Eigenstudium lernte er daraufhin Russisch. Nach seinem Abitur im Jahr 1990 zog er nach Moskau zu seiner Jugendliebe. „In einer Gastfamilie und in leeren Geschäften lernte ich Russland abseits der Ausländer-Ghettos kennen. Nach einer Dolmetscher-Ausbildung arbeitete ich als Deutschlehrer und Übersetzer. Gleichzeitig berichtete ich für verschiedene deutsche Tageszeitungen aus Russland“, schreibt er über diese Zeit.1https://reitschuster.de/im-profil/ Danach kehrte er noch einmal nach Deutschland zurück: Reitschuster durchlief seine journalistische Ausbildung bei der Augsburger Allgemeinen von 1994 bis 1996.2Boris Reitschuster: Meine Vertreibung. Berlin 2023. S. 97 Im Anschluß arbeitete er für die Nachrichtenagentur dpa und für die Agence France Presse (AFP) in München.

1999 bis 2011 lebte und arbeitete er wieder in Moskau. Ende 2011 musste er Rußland „nach massiven Drohungen“ verlassen. Das Moskau-Büro des Focus leitete er bis 2015 dennoch von Deutschland aus weiter. Zugleich schrieb Reitschuster gelegentlich auch für die Washington Post, den Guardian, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), die Wiener Zeitung und den Münchner Merkur. 2015 schloss der Focus sein Moskau-Büro, dementierte allerdings, daß diese Entscheidung etwas mit der politischen Situation in Rußland zu tun habe.3https://cms.n-ost.org/files/uploads/MediumMagazin.pdf Reitschuster arbeitete fortan als freier Journalist. Unter anderem hatte er bis Juli 2021 eine wöchentliche Talkshow im russischsprachigen deutschen Sender OstWest-TV. Bis zur Corona-Krise war er auch Dozent am Institut für internationale Politik und Wirtschaft Haus Rissen in Hamburg.4https://reitschuster.de/im-profil/

Reitschuster übersetzte mehrere Bücher von Michail Gorbatschow. Was jetzt auf dem Spiel steht: Mein Aufruf für Frieden und Freiheit (2019) wurde ein Spiegel-Bestseller.5https://www.penguin.de/buecher/michail-gorbatschow-was-jetzt-auf-dem-spiel-steht/buch/9783827501288

Im Dezember 2021 wurde Boris Reitschuster aus der Bundespressekonferenz ausgeschlossen.6Ebd., S. 122 Der offiziell angegebene Grund: Durch seinen Umzug nach Montenegro sei eine Teilnahme an den Pressekonferenzen in Berlin nicht mehr möglich. Reitschuster widersprach dieser Darstellung und nahm im März 2022 noch einmal an einer Bundespressekonferenz teil. Dass für Vereinsmitglieder der Bundespressekonferenz ein Wohnsitz im Ausland nicht erlaubt sei, bestreitet er und sieht eine historische Analogie: „Der Schriftsteller Edzard Schaper wurde unter den Nazis aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, weil er seinen Wohnsitz im Ausland hatte. Andererseits gibt es aber offenbar auch andere Kriterien als den Wohnsitz: Selbst Henryk M. Broder, einem der bekanntesten deutschen Journalisten, der ohne Zweifel in Berlin lebt, wurde die Aufnahme verweigert.“7Ebd., S. 131

Gegen Reitschusters Ausschluss aus der Bundespressekonferenz protestierte eine Petition mit 160.000 Unterschriften.8Ebd., S. 132 Peter Hahne schrieb zu dem Ausschluss zudem: „Der Fall ‚Boris Reitschuster‘ ist der eklatanteste Verstoß gegen das Diversitäts-Gebot der jetzigen Bundesregierung.“9Zit nach. ebd., S. 144

Nach eigenen Angaben erreiche reitschuster.de bis zu sieben Millionen Besucher im Monat bei 53 Millionen Klicks.10Ebd., S. 24 In seinem Buch mit dem Titel Meine Vertreibung (2023) schildert Reitschuster, wie ihm das Leben als alternativer Journalist systematisch erschwert wurde. Neben dem Ausschluß aus der Bundespressekonferenz beklagt er Zensur-Maßnahmen bei Youtube und anderen sozialen Netzwerken11Ebd., S. 53, Attacken der Polizei gegen ihn als Journalist bei Demonstrationen gegen den Corona-Maßnahmenstaat12Ebd., S. 157 und mehrere Kontokündigungen13Ebd., S. 170.

Auszeichnungen

2008 erhielt Reitschuster die Theodor-Heuss-Medaille für sein „außerordentliches Engagement, mit dem er sich seit vielen Jahren kritisch mit dem politischen System Russlands auseinandersetzt und vor Ort mit hohem persönlichem Einsatz für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und damit für die Wahrung von Bürger- und Menschenrechten kämpft“.14https://www.focus.de/kultur/medien/focus-korrespondent-geehrt-theodor-heuss-medaille_id_2197923.html

2023 erhielt er den Freiheitspreis der Atlas-Initiative. „Er hat die Bundespressekonferenz aufgewirbelt, weil er es – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen – gewagt hat, unbequeme Fragen zu stellen, nachzuhaken oder den Widerspruch aufgeklärt haben wollte“, erklärte Juliane Ried (CSU) in der Laudatio. „Wir möchten mit der Verleihung des Atlas-Freiheitspreises würdigen, dass er durch unerschrockene, tapfere journalistische Arbeit vielen Medienkonsumenten wieder Hoffnung gegeben hat, dass es eine funktionierende Vierte Gewalt gibt.“

Zitate

„In 16 Jahren Moskau – als Student, Deutschlehrer und später Büroleiter des Focus – habe ich hautnah erlebt, wie eine Demokratie kippt und wie eine Demokratur funktioniert. Wie Zynismus und eine Verachtung für die einfachen Menschen die Politik wie ein Krebsgeschwür durchwuchern.“15Boris Reitschuster: Meine Vertreibung. Berlin 2023. S. 13

„So sehr sich Merkel und Putin in Sachen Ideologie heute unterscheiden, so sehr ähneln sie sich in ihren Taktiken und in ihren Methoden.“16Ebd.

„Hinter Gitter kommen im „neuen Deutschland“ Merkelscher Prägung nur die wenigsten (wie Michael Ballweg). Das ist auch gar nicht nötig. Die Methoden der Unterdrückung sind verfeinert, genau wie es die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley nach der friedlichen Revolution vorausgesagt hat. Wer eine „falsche“ Meinung hat, wird diffamiert und entmenschlicht.“17Ebd., S. 16f

„Dass die gleichen Menschen, die massive Angst vor Atomenergie und vor dem Weltuntergang wegen des Klimawandels haben, andere Menschen aufgrund von Ängsten, die in meinen Augen weitaus realistischer sind, entmenschlichen, ist ein Akt der Barbarei. Und des Irrsinns: Denn Ängste müssen per se nicht einmal rational sein. Sie müssen dennoch ernst genommen und dürfen nicht tabuiert werden. Aber selbst solche Binsenweisheiten sind für unsere Glaubenskrieger tabu. Sie haben einen Staudamm gegen die Lebenswirklichkeit errichtet, gestützt mit „Nazi“-Diffamierungen. Wir erleben gerade die Phase, in der dieser Staudamm überzulaufen beginnt.“18Ebd., S. 18 (Der Vergleich zielt ab auf Angst vor Ausländergewalt.)

„Statt aus dem Nationalsozialismus die Lehre gezogen zu haben, dass man immer ein gewisses Grundmisstrauen dem Staat gegenüber an den Tag legen sollte, haben viele das Gegenteil verinnerlicht: ein blindes Vertrauen in alles, was vom Staat kommt.“19Ebd., S. 20

„Man braucht unliebsame Journalisten nicht mehr zu zensieren, wenn man dafür sorgt, dass ihnen Banken – und Paypal ist faktisch eine – die Möglichkeit verweigern, ein Konto zu haben.“20Ebd., S. 172

„Was in autoritären Staaten der Geheimdienst macht, machen bei uns Google, Facebook & Co. Hand in Hand mit willfährigen, regierungsfinanzierten ‚Nichtregierungsorganisationen‘ wie der Amadeu-Antonio-Stiftung von Ex-Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane.“21Ebd., S. 187

Veröffentlichungen (Auszug)

2023: Meine Vertreibung

2016: Putins verdeckter Krieg: Wie Moskau den Westen destabilisiert (Spiegel-Bestseller)

2016: Russki Extrem im Quadrat: Was von meiner Liebe zu Russland geblieben ist

2008: Der neue Herr im Kreml? Dimitrij Medwedew

2006: Putins Demokratur. Wie der Kreml den Westen das Fürchten lehrt

1994: Briefe aus einem untergehenden Imperium

Wikipedia-Korrektur

Über seinen Wikipedia-Beitrag schreibt Reitschuster selbst: „Freunde berichten mir, dass sie sich furchtbar aufregen, wenn sie meinen Eintrag bei Wikipedia lesen. Die Online-Enzyklopädie hat sich längst von der Idee eines neutralen Nachschlagewerks verabschiedet und ist zu einer Propaganda-Waffe im rot-grün-woken Kulturkampf geworden.“22Ebd., S. 39

Gleich im Intro des Beitrags wird Reitschuster die Verbreitung von „Falschinformationen“ vorgeworfen. Dass sich seine Einschätzungen zu Corona im Nachhinein eben gerade nicht als „Falschinformationen“, sondern als Wahrheit herausstellten, wird verschwiegen.

Fußnoten