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Michael Beleites, geboren am 30. September 1964 in Halle (Saale), ist Naturforscher und Publizist, Gärtner, studierter Landwirt, war ein wichtiger Akteur der Umweltbewegung in der DDR und von 2000 bis 2010 Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Biographie

Beleites ist der Sohn eines Pfarrers. Von 1982 bis 1984 absolvierte er eine Ausbildung zum zoologischen Präparator in Gera und Berlin.

Seit 1982 war er in kirchlichen Friedens- und Umweltinitiativen aktiv. Seit dieser Zeit wurde er vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS, „Stasi“) mit dem Operativen Vorgang „Entomologe“ verfolgt (u.a. Reisesperren, Verhinderung von Abitur und Studium).

1984 war er Initiator der ersten Protestaktionen gegen Umweltzerstörung in der Chemieregion Wolfen-Bitterfeld und zusammen mit Reinhard Falter einer blockübergreifenden Parallelaktion der Friedensbewegungen in Fulda und Meiningen. In den Folgejahren organisierten beide Treffen zwischen der ost- und westdeutschen Friedensbewegung in der ČSSR, Ungarn und Polen.

Seit 1986 recherchierte er zu den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des Uranabbaus der SDAG Wismut. 1988 hielt er auf der 1. Ökumenischen Versammlung in Dresden einen Vortrag zum „Uranbergbau in der DDR“, das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg veröffentlichte seine Dokumentation Pechblende – Der Uranbergbau in der DDR und seine Folgen.

1989 war er Mitglied des Bürgerkomitees zur MfS-Auflösung in Gera, 1990 Berater des Neuen Forums beim Zentralen Runden Tisch und engagierte sich für eine Öffnung der Stasi-Akten. In diesem Jahr war er auch Mitbegründer von Greenpeace in der DDR.

1991 war er Berater von Greenpeace in Hamburg und 1992 Berater der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. Von 1992 bis 1995 studierte er Landwirtschaft an der Humboldt-Universität Berlin und der Fachschule für Landwirtschaft in Großenhain. Für das Kirchliche Forschungsheim in Wittenberg erstellte er 1996 eine Ausstellung über den Begründer des Forschungsheimes, Otto Kleinschmidt, und 1998 eine Ausstellung über die Kirchliche Umweltbewegung in der DDR. Seine Auseinandersetzung mit dem naturwissenschaftlichen Werk Otto Kleinschmidts inspirierte Beleites zu eigenen naturkundlichen Forschungsarbeiten.

Von Dezember 2000 bis Dezember 2010 amtierte Beleites als Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Seit 2011 lebt er als Gärtner, freier Autor und Referent in Blankenstein bei Dresden.

2014 publizierte er seine jahrzehntelangen Naturbeobachtungen und die auf diesen beruhenden Schlussfolgerungen im Buch Umweltresonanz – Grundzüge einer organismischen Biologie. Hans Dieter Knapp sieht in dem Werk die Chance auf einen „Paradigmenwechsel in Biologie und Ökologie sowie im Mensch-Natur-Verhältnis.“1Zeitschrift Nationalpark 3/2014, S. 45

Sein 2016 veröffentlichter Rückblick auf die Umweltbewegung in der DDR mit dem Titel Dicke Luft: Zwischen Ruß und Revolte erschien auch als Sonderausgabe für die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung. Nachdem Beleites 2015 für die Pegida-Chronik von Sebastian Hennig ein Vorwort geschrieben und in rechtskonservativen Schriften publiziert hatte, wurde er Ziel einer Verleumdungskampagne, die er 2024 dokumentierte und im Blick auf die beabsichtigten Wirkungen als eine „neue politische Verfolgung“ beschreibt.

Michael Beleites ist verheiratet und hat drei Kinder.

Positionen

Degeneration und Regeneration

Im Jahr 2020 schrieb Beleites ein Buch mit dem Titel Lebenswende. Unter diesem Oberbegriff zu verstehen ist die Einpassung in die Natur, kooperatives Verhalten, Wertschätzung und Achtung eigener sowie fremder Lebensräume. „Das harmonische Eingegliedertsein in die natürlichen Umweltverhältnisse ist dasjenige, was der Degeneration entgegenwirkt; es ist dasjenige, was die aufbauenden Naturprozesse im Sinne von Regeneration ermöglicht“, so Beleites, der zudem behauptet, daß „eine verminderte (bzw. verhinderte) Umweltresonanz ähnlich wirkt wie Gefangenschaft“.2Michael Beleites: Lebenswende. Degeneration und Regeneration in Natur und Gesellschaft. Lüdinghausen und Neuruppin 2020. S. 53f

Deshalb schlägt er eine „organismische Perspektive auf unsere Erde“ vor. Der Mensch müsse sich als „Teil der Erde“ begreifen und könne nur „überleben, wenn er seine Organfunktion wiederfindet, die Natur der Erde als ein Höheres akzeptiert und sich zum Wohle des Ganzen in sie integriert – bzw. integrieren lässt.“3Ebd., S. 86 In diesem Sinne stellt sich Beleites entschieden gegen jeden Sozialdarwinismus:

„Die Gefahr der Degeneration resultiert aber gerade nicht aus einer fehlenden Selektion, sondern aus einem gestörten Verhältnis zu unserer natürlichen Umwelt; insbesondere aus einer mit denaturierter Ernährung gekoppelten unnatürlichen (bewegungsarmen) Lebensweise, welche die primäre Variation der ‚Population‘ ausweitet.“4Ebd., S. 103

Mit Blick auf den Windrad-Wildwuchs und andere Phänomene, die Landschaften beeinträchtigen, kritisiert Beleites die heutige grüne Bewegung: „Durch den Öko-Aktivismus, dem nichts heilig ist, der keine Ehrfurcht vor der ‚Erhabenheit der Landschaft‘ (Michael Succow) hat, wird sich eine organismische Integration des Menschen auf der ökologischen Ebene nicht entwickeln lassen.“5Ebd., S. 130

Evolution ohne Zuchtwahl

In der freien Natur werde ein Auseinanderlaufen der Variationsbereiche (von Merkmalen, wie groß/klein, hell/dunkel) der Arten und ihrer geographischen Populationen nicht durch „natürliche Zuchtwahl“ verhindert, sondern durch den inneren Zusammenhalt (die genetische Kohäsion) der Wildformen. „Weil die Eigentendenz der Variation bei Wildformen in freier Natur von Kohäsion und bei Zuchtformen in Gefangenschaft von Divergenz geprägt ist, ist es sinnwidrig, von der künstlichen Zuchtwahl der Zuchtformen auf eine ‚natürliche Zuchtwahl‘ der Wildformen in freier Natur zu schließen. Die Selektionstheorie kann im Blick auf die evolutiven Prozesse von Wildformen in freier Natur als widerlegt angesehen werden.“6Umweltresonanz 2014, S. 12

Umweltresonanz

Weil die ökologischen Milieus der urbanen Räume in ihren degenerativen genetischen Effekten mit jenen der Gefangenschaft vergleichbar sind, sei die Häufung domestikations-typischer Degenerationen auf einen gestörten Zugang zu natürlichen Umweltinformationen zurückzuführen. „Das, was ich als ‚Umweltresonanz‘ bezeichne, umfasst einerseits die Beziehung zwischen dem Zustand des ökologischen Milieus und der genetischen Verfassung der dort lebenden Organismenpopulationen; andererseits die Frage nach dem für die Herausbildung und Aktivierung von Gestalt- und Verhaltensmustern erforderlichen Informationstransfer. […] Was eine intakte Umweltresonanz hinsichtlich der Lebensvorgänge bewirkt bzw. ‚leistet‘, lässt sich am besten daran erkennen, welche Beeinträchtigungen dort auftreten, wo die Resonanzbeziehungen zu natürlichen Umweltinformationen gestört sind – also in ökologischen Milieus, die mehr als geschlossene denn als offene Systeme verfasst sind. Auch wenn am Individuum eine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung nur schwer feststellbar ist, sind hinsichtlich der genetischen Kohäsion von Populationen die Wirkungen einer gestörten Umweltbeziehung signifikant“, so Beleites.7Lebenswende 2020, S. 52

Offene Systeme

Beleites sieht in den ökologisch-genetischen Zusammenhängen Parallelen zu den physikalischen Gesetzen der Thermodynamik. Die physikalische Kategorie der Entropie entspreche der biologischen Kategorie der Degeneration. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besage u.a., daß in einem abgeschlossenen System die Entropie nicht abnehmen, sondern im Laufe der Zeit nur zunehmen kann. „Insoweit werden die abgeschlosseneren Systeme der urbanen Räume (wie die der Gefangenschaft) stets weniger Ordnung und Information aus der Umgebung aufnehmen können, als die zu ihrer Umwelt hin offeneren Systeme der freien Natur.“8Ebd., S. 26

„Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik scheint ein universelles Naturgesetz zu sein, dem sich auch biologische und kulturelle Prozesse unterordnen. Hier wie dort gilt die Logik der Entropie-Falle: Strukturverlust vermindert Resonanzfähigkeit, und eine verminderte Umweltresonanz verwandelt ein offenes System in ein – insbesondere gegenüber den natürlichen regenerativen Faktoren – stärker abgeschlossenes System, das seinerseits wiederum strukturauflösend wirkt. Die thermodynamische Begleiterscheinung des Strukturverlustes ist Erwärmung bzw. Überhitzung. Wo immer wir die thermodynamischen Gesetze mitdenken, kommen wir nicht umhin, die Momentaufnahme unserer Gegenwart in einer Welt zu finden, die sich heiß läuft. Die menschengemachten CO2-Emissionen sind wahrscheinlich nicht die Ursache, aber eine zwingende Begleiterscheinung dieser Entwicklung. Insoweit müssen wir damit rechnen, dass eine Stagnation oder Umkehr der globalen Erwärmung nur dann eintritt, wenn uns eine generelle Abkehr von der überwiegend wettbewerbsgetriebenen Wachstumsdynamik gelingt. Und diese Rückkehr zum menschlichen Maß wäre ihrerseits mit der Begleiterscheinung einer nennenswerten Reduktion der CO2-Einträge in die Atmosphäre verbunden – nicht umgekehrt.“9Ebd., S. 213

Organismische Biologie

Da das Leben eine Eigenschaft von Organismen sei, müsse man in der Biologie organismisch denken. „Wenn wir das Leben verstehen wollen, müssen wir vom organismischen Prinzip ausgehen: Ebenso wie ein Organismus sich aus verschiedenen Organen zusammensetzt, die, gerade weil sie verschieden sind, untereinander kooperieren und das Ganze am Leben halten, so sind auch überindividuelle Zusammenschlüsse, wie Schwärme, Familien, Arten oder Ökosysteme, ‚organismisch‘ verfasst. Die einzelnen Organismen haben als Individuen immer zugleich auch eine Organfunktion in einem überindividuellen Ganzen. Und diese Ganzheit ist mehr als die Summe ihrer Teile; sie hat ihre eigenen Systemeigenschaften.“10Ebd., S. 24

Umwelt und Innenwelt

Zur Wiederherstellung eines gesunden Umweltverhältnisses sei es wichtig, dem Umwelt-Begriff in seiner ursprünglichen Beziehung zur Innenwelt zu verstehen. „Eine stimmige, naturgemäße Sicht ist die ganzheitliche Ökologie des deutschbaltischen Biologen und Philosophen Jakob von Uexküll. Vor gut hundert Jahren führte er den Begriff ‚Umwelt‘ als biologisch-ökologische Kategorie ein und zwar im Blick auf das Zusammenwirken von Um- und Innenwelt. Eine ganzheitliche Ökologie, die die Umwelt auch in der Innenwelt des Menschen gespiegelt sieht, wird Fortschritt, Transformation und Wirtschaftswachstum nie um ihrer selbst willen verlangen. Wer um die epigenetische Bedeutung des ökologischen Milieus weiß, sieht die Erhaltung und Wiederherstellung gesunder, funktionsfähiger Landschaften, in denen sich der Mensch wohlfühlt, als Hauptziel einer ökologischen Überlebensstrategie.“ (Interview in: Junge Freiheit vom 26. Oktober 2024)

Konservative Ökologie

Beleites sieht die Ökologie als ein ursprünglich konservatives Anliegen und wünscht sich seitens der Konservativen mehr Interesse für das ökologische Thema. Eine konservative Ökologie berufe sich „mehr auf eine qualitative Naturwahrnehmung und nimmt die seelische Wirkung der Beheimatung in der Landschaft in den Blick. Konservative Ökologen haben die ‚Grenzen des Wachstums‘ vor Augen und wissen, daß eine radikale Reduktion des Ressourcen- und Energieverbrauchs eine Abkehr von der Überflußgesellschaft erfordert. Demgegenüber glauben progressive Ökologen an ‚grünes Wachstum‘ und daran, mit regenerativen Energieträgern den Lebensstandard halten oder noch steigern zu können. Daß die Technologien der ‚Energiewende‘ in erheblichem Maß die sinnlich wahrnehmbare Umwelt schädigen, wird von ihnen ignoriert, oft gar nicht gesehen. […] Die Vordenker der politischen Ökologie, wie der Philosoph Ludwig Klages, der Verhaltensforscher Konrad Lorenz oder der ehemalige CDU-Politiker Herbert Gruhl, waren konservativ. Eine ganzheitliche biologisch-ökologische Analyse spricht für eine behutsame gesellschaftliche Entwicklung, für Traditionspflege und das Bewahren des kulturellen Erbes sowie für eine Wiederbelebung bäuerlicher und handwerklicher Potentiale und für die Pflege Harmonie und Ruhe ausstrahlender Kulturlandschaften. Und sie plädiert für überschaubare Gestaltungs- und Verantwortungsräume, also für Dezentralisierung und Regionalisierung – alles durchaus
konservative Konzepte.“11Ebd.

Bodenständig und Krisenfest

„Nie wieder soll eine Gesellschaft die Erfahrung machen, dass sie deswegen hungert und friert, weil kaum noch einer weiß, wie man Kartoffeln anbaut, wie man Feuerholz macht, wie man Brot bäckt, wie man Hühner hält und wie man von den Früchten des Feldes ein gutes Essen kocht.“12Michael Beleites: Wir haben gelernt. Journal der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Ausgabe 2/2013 Sachsen 2030 Quo vadis? Wir machen uns Sorgen. S. 16-17

Zu einer verantwortungsvollen Agrarpolitik gehöre es, daß insbesondere jungen Menschen die Möglichkeit eingeräumt werde, „ein kreatives und krisenfestes Leben führen zu können: Ein Leben, das die Spaltungen von Erwerbsarbeit und Eigenarbeit, von Arbeitsort und Wohnort, von Familie und Beruf überwindet. […] Wenn wir Freiheit im Sinne von Unabhängigkeit verstehen, dann gehört zu wirklicher Freiheit auch ein hoher Grad an Subsistenz, also an Selbstversorgungsfähigkeit bzw. Versorgungssouveränität.“13Der Gärtnerhof 2022, S. 39 u. 11

Kulturwende

„Es geht um Regionalisierung statt Globalisierung! […] Wir brauchen eine neue Kultur: eine Kultur der Dezentralisierung und Regionalisierung; eine Kultur der Versorgungssouveränität
(Subsistenz) und Wiederverländlichung (Reruralisierung), die der Primärenergieerzeugung der kleinbäuerlichen Landbewirtschaftung Vorrang einräumt. Wir brauchen eine Kultur der Wachstumsunabhängigkeit und des Niedrigenergieverbrauchs: eine Kultur, die ein Weniger an Energie- und Ressourcenverbrauch mit einem Mehr an Lebensqualität zu verknüpfen weiß. […] Um der Überhitzung zu entgehen, müssen wir vor allem eines: zur Ruhe kommen.“14Michael Beleites: Die menschengemachte Überhitzung. Zur Entropie der Industriegesellschaft. Die Kehre – Zeitschrift für Naturschutz, 1/2020, S. 13

Politische Kultur

„Wenn man die ‚systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes‘ und die ‚systematische Organisierung beruflicher Mißerfolge‘ in der DDR erlebt und erlitten hat, nimmt man die heutigen Rufmord-Kampagnen, die auf berufliche und soziale Existenzvernichtung abzielen, als das wahr, was sie sind: eine neue politische Verfolgung.“15Michael Beleites: Eine neue politische Verfolgung. In: Wolfschlag, Claus, Hrsg.: Meinung. Pranger. Konsequenzen. Schnellroda 2024, S. 176

Veröffentlichungen (Auszug)

2022: Der Gärtnerhof. Selbstversorgung – ein Weg ins Freie. Schlüsseltexte zum Gärtnerhof-Konzept von Max Karl Schwarz, Franz Dreidax und Willi Laatsch

2020: Lebenswende. Degeneration und Regeneration in Natur und Gesellschaft

2016: Dicke Luft: Zwischen Ruß und Revolte. Die unabhängige Umweltbewegung in der DDR

2014: Umweltresonanz. Grundzüge einer organismischen Biologie

1988: Pechblende. Der Uranbergbau in der DDR und seine Folgen

Wikipedia-Korrektur

Die Angaben in unserem Beitrag beruhen hauptsächlich auf umfangreichen Korrekturen von Michael Beleites hinsichtlich des über ihn angefertigten Wikipedia-Beitrags. Angefangen von falschen Jahreszahlen bis hin zu böswilligen Unterstellungen finden sich darin etliche kritikwürdige Darstellungen. Bemerkenswert ist, daß Primärquellen wie diese früher im Wikipedia-Beitrag enthalten waren, dann aber Anfang 2024 entfernt wurden. Der Beitrag ist dadurch über die Jahre nicht etwa besser, sondern schlechter geworden.

Das Video zeigt Michael Beleites im Gespräch mit Michael Meyen:

Fußnoten