Wilhelm von Humboldt (1767-1835) baute von der Kulturnation, wie sie Friedrich Schiller vor Augen hatte, zur Staatsnation die entscheidende Brücke: die Nationalerziehung. Dabei war Wilhelm von Humboldt zunächst auch ein Individualist, der dem Staat in den 1790er-Jahren die Aufgabe zuwies, sich „entbehrlich zu machen“. „Ganz in der geistigen Tradition Herders stehend, betont er das Organische, das Pflanzenhafte jeder Kultur, dem man mit einem staatlich-mechanischen Instrumentarium nicht gerecht werden könne“, notierte dazu Thor v. Waldstein in seinem Buch über den Zauber des Eigenen.
Auslandserfahrungen brachten Humboldt dann aber doch zu der Überzeugung, das Deutsche institutionalisieren zu müssen. Die Kulturnation ist eben nur etwas für Geistesgrößen. Die Nationalerziehung hingegen für das ganze Land gedacht, obwohl es dieses „Land“ damals noch nicht als Einheit gab. Thor v. Waldstein fährt mit seiner Skizze über Wilhelm von Humboldt schließlich wie folgt fort:
„1809/1810 wird er für 16 Monate an die Spitze der preußischen Kultus- und Unterrichtsverwaltung berufen, wo er die Grundlagen für die Nationalerziehung der Deutschen schafft und im Jahr 1810 in Berlin die Friedrich-Wilhelms-Universität gründet, deren erster Rektor Fichte wurde. Humboldts Leistungen als echter Bildungsreformer finden überall Anerkennung und spätestens seit dieser Zeit rückt er auf zur most central figure in Germany (Lord Acton).
(…)
Weil er die Karlsbader Beschlüsse als ’schändlich, unnational, ein denkendes Volk aufregend‘ mißbilligt, wird er von Friedrich Wilhelm III. entlassen und widmet sich danach auf Schloß Tegel vor allem seinen Sprachstudien …“
Jürgen Trabant hebt Wilhelm von Humboldt neben Leibniz als den entscheidenden Sprachphilosophen hervor. Humboldt war es, der im Zuge der preußischen Reformen erkannte, daß die Sprache nicht nur „die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker“ darstellt, sondern der Geist einer Nation sich erst durch die verschiedenen Sprachen manifestieren kann. Nur wer in seiner eigenen Sprache denkt, entwickelt eine eigene Sicht auf die Welt.
Sprache, Schule, Bildung, Nation – Institutionen werden eben doch gebraucht, erkannte Wilhelm von Humboldt selbst: „Der Mensch ist allein genommen schwach und vermag durch seine eigene kurzdauernde Kraft nur wenig. Er bedarf einer Höhe, auf die er sich stellen, einer Masse, die für ihn gelten, einer Reihe, an die er sich anschließen kann. Diesen Vorteil erlangt er aber unfehlbar, je mehr er den Geist seiner Nation, seines Geschlechtes, seines Zeitalters auf sich fortpflanzt.“