Hubertus Knabe, geboren 1959 in Unna, ist ein deutscher Historiker an der Universität Würzburg und ein ehemaliger Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. In seiner Forschungstätigkeit widmet er sich vor allem der Aufarbeitung des Unrechts in der DDR.
Biographie
Knabe studierte von 1978 bis 1985 Germanistik und Geschichte an der Universität Bremen. Von 1983 bis 1985 war er Pressesprecher der Grünen-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Nach einer Station im damals noch kommunistischen Ungarn erhielt er 1987 ein Promotionsstipendium vom Evangelischen Studienwerk Villigst. 1988 wurde Hubertus Knabe schließlich Studienleiter an der Evangelischen Akademie in Westberlin. 1991 schloss Knabe seine Promotion an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über „Möglichkeiten und Grenzen der Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn“ ab.
Dieser Forschungsgegenstand war eng verbunden mit dem politischen Engagement Knabes. Dazu heißt es auf seiner Webseite: „Seit Beginn seines Studiums unterstützte Knabe ostdeutsche Oppositionelle. So gründete er 1978 in Bremen ein Komitee für die Freilassung des Regimekritikers Rudolf Bahro und versorgte SED-Kritiker in der DDR mit verbotenen Büchern. 1982 erschien sein erstes Buch Schwerter zu Pflugscharen über die unabhängige Friedensbewegung in der DDR (Pseudonym: Klaus Ehring). Der Staatssicherheitsdienst überwachte ihn deshalb auch in Westdeutschland und verhängte gegen ihn ein Einreiseverbot in die DDR.“
Von 1992 bis 2000 war Knabe wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Danach wurde er Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. 2018 wurde er entlassen. Dagegen protestierten in einem offenen Brief an den damaligen Kultursenator Klaus Lederer (Linke) mehrere Mitglieder des wissenschaftlichen Stiftungsbeirats, die in der Entlassung eine „politische Strafaktion“ für „politische Unangepasstheit“ sahen. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz schloss sich diesem Protest an und betonte, es gebe „eindeutige Indizien einer nahezu kriminelle Energie, mit der die Ablösung des renommierten Historikers geplant wurde“:
„Die Gedenkstätte Hohenschönhausen hat sich unter der Leitung von Herrn Dr. Knabe zur wichtigsten Erinnerungsstätte an die Verbrechen der SED entwickelt. Keine andere derartige Gedenkstätte kann auf einen ähnlichen Zuspruch verweisen. Vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte ist es schon unverständlich genug, das Senator Dr. Lederer als Vertreter jener Partei, die in der DDR 40 Jahre lang eine Diktatur betrieb, überhaupt an hervorgehobener Stelle für diese Stiftung Verantwortung tragen darf (man stelle sich vor, er veranstalte dort künftig anstelle der Zeitzeugen selber die Führungen). Der jetzt inszenierte Enthauptungsschlag gegen die Gedenkstätte Hohenschönhausen dient dem klaren politischen Ziel der Linkspartei, das Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur weichzuspülen und die Geschichte umzuschreiben. Der seit Jahren der Gedenkstätte und seinem Leiter entgegenschlagende Hass der Repräsentanten des untergegangenen DDR-Staatsapparats, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass es dieser politische Druck war, der unter Instrumentalisierung anonymer Vorwürfe zur Entfernung von Dr. Knabe aus seinem Amt führte.“
Im Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen unterstützten CDU, FDP und AfD die Position Knabes gegenüber Lederer. Die Berliner AfD-Fraktion stellte im Abschlussbericht des U-Ausschusses fest:
„Kultursenator Lederer hat die Beschwerden über sexuelle Belästigung gegen den stellvertretenden Direktor als Vorwand genutzt, um Hubertus Knabe aus dem Amt zu drängen. Dabei war es ihm und der Kulturverwaltung in Zusammenarbeit mit der Frauenbeauftragten nach der Beschwerde einer Volontärin im Dezember 2017 zunächst gelungen, die weiter zurückliegenden Beschwerdefälle unterschiedlicher Frauen in seinem Haus zusammenzuführen und die Frauen zu einem konzertierten Vorgehen zu veranlassen. Nachdem die Frauen sich dann in einem offiziellen Schreiben an den Senat gewandt hatten, gelang es Dr. Lederer, die relevanten Entscheidungen über die weitere Aufklärung der Vorkommnisse am Stiftungsrat vorbei in seinem Haus zu monopolisieren und das weitere Vorgehen weitgehend unter seine Kontrolle zu bringen.“1Drucksache 18/4020, S. 361 (https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-4020.pdf)
An der Universität Würzburg betreut Knabe am Lehrstuhl für Neueste Geschichte das Projekt „Die Mordanschläge der Stasi. Methoden der Liquidierung feindlicher Personen durch das Ministerium für Staatssicherheit“.2https://www.geschichte.uni-wuerzburg.de/neueste-geschichte/personal/knabe/
Positionen
In seinem Buch Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland, das erstmalig 2005 erschien und 2025 neu aufgelegt wurde, tritt Hubertus Knabe der These entgegen, der 8. Mai 1945 sei für alle Deutschen ein Tag der Befreiung gewesen. „Nicht der 8. Mai 1945 brachte den Ostdeutschen die Freiheit, sondern der 9. November 1989, als in Berlin die Mauer fiel und das Regime der SED gestürzt wurde.“3Hubertus Knabe: Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland. München 2025. S. 10
„Der Einmarsch der Roten Armee in Deutschland bedeutete für Hunderttausende Frauen unermessliche Qualen durch Massenvergewaltigungen; auch westliche Soldaten verübten sexuelle Übergriffe. Rund 7,5 Millionen Männer gerieten durch die bedingungslose Kapitulation in alliierte Gefangenschaft. Mehr als drei Millionen mussten in der Sowjetunion Zwangsarbeit leisten, die ein Drittel nicht überlebte.
Während in Deutschland ausländische Militärs die Regierungsgewalt übernahmen, annektierten fremde Staaten ein Drittel des deutschen Reichsgebiets. Außerhalb des verbliebenen Territoriums wurde nahezu die gesamte deutschsprachige Bevölkerung eingesperrt, deportiert oder vertrieben. Zwischen Elbe und Oder installierten die sowjetischen Besatzer schließlich eine neue Diktatur, was Zehntausende das Leben kostete und Millionen zur Flucht veranlasste.“4Ebd., S. 16f
Knabe erinnert daran, weil er bei Linkspartei, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und auch der AfD ein Anknüpfen „an alte DDR-Narrative“ sieht, wenn sie sich etwa „demonstrativ gegen die NATO positionieren und an die Seite Russlands stellen“. Zudem würde sogar die Berliner CDU den Beschluss mittragen, den 8. Mai zum arbeitsfreien Feiertag zu erklären, wie er es einst in der DDR von 1950 bis 1967 und dann noch einmal 1985 war.5Ebd., S. 23
Das Bild der Befreiung passe besonders in Hinblick auf die Sowjetunion nicht. Knabe wirft ihr eine „erhebliche Mitverantwortung für Ausbruch und Verlauf des Krieges“ vor. „Ohne den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom August 1939 hätte Hitler den Überfall auf Polen kaum wagen können“, urteilt Knabe. „Zeitgleich mit Hitlers frühen Eroberungen fiel zudem auch Stalin in diverse Staaten ein.“ Zuerst betraf das Polen. „Im November 1939 rückten Truppen der UdSSR (dann) auch in das südliche Finnland vor, im Juni 1940 besetzten sie die baltischen Staaten, im Juli Bessarabien (heute im Wesentlichen die Republik Moldau) und die Bukowina.“6Ebd., S. 25
Weil es sich selbst als „Befreier“ sieht, habe Russland weder den Verlauf des Zweiten Weltkrieges noch die Ereignisse danach, die „Züge eines Genozids“7Ebd., S. 65 tragen, aufgearbeitet. Mit Blick auf die Ukraine warnt Knabe, der blutige Terror nach dem 8. Mai 1945 könnte sich in ähnlicher Form wiederholen. Die Berichte über die Verbrechen von damals erschienen daher „wie ein apokalyptischer Blick in eine mögliche Zukunft“8Ebd., S. 11.
Der Terror gegenüber den Ostdeutschen zum Kriegsende habe sich auch nicht ausgezahlt, wertet Knabe: „Rational betrachtet, war das brutale Vorgehen gegen die deutsche Zivilbevölkerung keineswegs vorteilhaft für die Sowjetunion. In militärischer Hinsicht erhöhte die Angst vor den sich schnell herumsprechenden (…) Exzessen den Widerstandswillen der Deutschen.“9Ebd., S. 70
Darüber hinaus stellt Knabe in dem Buch klar, daß die Sterberate in den sowjetischen Lagern „mit der bei den westlichen Alliierten in keiner Weise zu vergleichen“ sei und um ein Vielfaches höher gewesen sei. Knabe widmet sich jedoch nicht nur den deutschen, sondern auch den sowjetischen Opfern.10Ebd., S. 118ff
Veröffentlichungen (Auszug)
2025: Tag der Befreiung? Das Kriegsende in Ostdeutschland (zuerst: 2005)
2010: Die Wahrheit über die Linke
2003: 17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand
1999: Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen
1993: Umweltkonflikte im Sozialismus. Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn
Wikipedia-Korrektur
Obwohl selbst der linke Kultursenator Klaus Lederer Knabe von dem Vorwurf der „AfD-Nähe“ freisprach, behauptet Wikipedia genau das direkt in der Überschrift. Hinzu kommt der Vorwurf des „Geschichtsrevisionismus“, der auf Kontaktschuld beruht und der Tatsache, daß Knabe in der Tradition von Hannah Arendts Totalitarismus-Theorie argumentiert, die den Nationalsozialismus mit dem Kommunismus vergleicht – wohlgemerkt: ohne diese Ideologien gleichzusetzen.