Norbert Bolz, geboren am 17. April 1953 in Ludwigshafen am Rhein,1https://www.munzinger.de/register/portrait/biographien/Norbert+Bolz/00/27830 ist ein Medienwissenschaftler, der bis 2018 an der TU Berlin lehrte, und zahlreiche Bücher geschrieben hat.
Biographie
Bolz machte 1970 Abitur am Max-Planck-Gymnasium in Ludwigshafen und studierte danach in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. 1977 legte er seine Doktorarbeit über die Ästhetik Theodor W. Adornos vor. 1987 wurde er Assistent des Religionsphilosophen Jacob Taubes. 1987 erfolgte seine Habilitation mit einer Arbeit über „Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen“. 1987 bis 1992 arbeitete Bolz als Dozent an der Freien Universität Berlin. Von 1992 bis 2002 war er Universitätsprofessor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität GH Essen. 2002 bis 2018 lehrte er Medienwissenschaften an der Technischen Universität Berlin.
Positionen
Zurück zur Normalität (2025)
In seinem Buch Zurück zur Normalität von 2025 beklagt Bolz einen „Krisenstolz und Schuldkult“ der Deutschen, der sich „bis zum Selbsthass gesteigert“ habe. „Die ganze Welt wird zum Zeugen, wie sich die deutsche Politik an einer Wiedergutmachung des absolut Bösen durch das absolut Gute versucht.“2Norbert Bolz: Zurück zur Normalität. Mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand. München 2025. S. 19 Zugleich erhebt er Einspruch gegen die Gleichmacherei. „Es gibt Kulturen, die fortschrittlicher und humaner sind als andere“, argumentiert er.3Ebd., S. 24f Stark verzerrte Weltbilder wirft Bolz insbesondere Menschen mit sehr langen Ausbildungszeiten vor, also vor allem Akademikern, die allerdings die „Hegemonie der öffentlichen Meinung“ erobert hätten.4Ebd., S. 36f
Diese Meinungselite sei nicht in der Lage, gute Werte vorzugeben bzw. vorzuleben. Im Gegenteil:
„Eine Kultur, die zugunsten radikaler, kleiner Minderheiten auf Normalität, also auf Standards und verbindliche Normen verzichtet, kann den Menschen keine selbstverständlich vorgegebenen Werte mehr anbieten. Die Prozesse der Individualisierung erfolgen jetzt also ohne Maßstab. Und die Selbstbestimmung – durch die Ampel-Regierung in Gesetzesform gegogssen – erscheint wie im Existenzialismus der 1950er-Jahre als absolute Wahl.“5Ebd., S. 39
Diesen Auflösungserscheinungen setzt Bolz einen „Konservativismus“ als „Glaube an die Normalität“ entgegen und definiert den gesunden Menschenverstand als „Sinn für Normalität“.6Ebd., S. 51
„Normal ist, dass wir Regeln folgen, die von Traditionen und Konventionen vorgegeben sind. Sie machen unser Verhalten für andere erwartbar und in gewissem Umfang voraussagbar. Normalität besteht also weitgehend aus der Befolgung von Verhaltensregeln, Konventionen und Traditionen, die Erwartungen stabilisieren.“7Ebd., S. 53
Modernen Konservativismus begreift Bolz mit Thomas Mann als „Kulturerhaltungswille“.8Ebd., S. 129 Das beinhalte auch die Verteidigung der „phantastischen Errungenschaften der Moderne – als das sind: wissenschaftlicher Fortschritt, technische Weltbeherrschung und gesellschaftlicher Wohlstand“.9Ebd., S. 131
Avantgarde der Angst (2020)
Zum Zusammenhang von Angst und Risiko hat Bolz ausgeführt: „Wer Angst hat, kennt kein akzeptables Risiko. ‚Katastrophe‘ heißt nämlich: Ich will nicht rechnen.“10Norbert Bolz: Die Avantgarde der Angst. 2. Aufl., Berlin 2021, S. 15 Die Anwendung der Technik beruhe aber gerade darauf, auf Basis der Wahrscheinlichkeitsrechnung geringe Risiken einzugehen.
Diese Entwicklung bewertet Bolz als ein Phänomen der Dekadenz: „Dass das Gehirn luxuriert, bedeutet dann konkret dass das Vernünftige des Zögernd-Präventiven, das ursprünglich die menschliche Rationalität auszeichnete, umschlägt in den Wahn der Katastrophenerwartung. (…) Das luxurierende Denken des Wohlstandsbürgers, der in einer Welt der Vorsorge und Versicherung lebt, öffnet sich wieder dem Mythos.“11Ebd., S. 164 Konkret spricht Bolz in diesem Zusammenhang den „Schuldkult eines vom Menschen verursachten Klimawandels“ an.12Ebd., S. 167 Dieser Schuldkult führe zu einer „Neuauflage des Mythos vom edlen Wilden“.13Ebd., S. 169
Zurück zu Luther (2016)
In seinem Buch Zurück zu Luther von 2016 würdigt Bolz die Aktualität des Reformators im Hinblick auf den „Kampf gegen jede Form von religiöser Politik“. Diese kritisiert Bolz scharf, denn: „Es gibt keine Kooperation zwischen dem Staat und dem Reich Gottes.“14Norbert Bolz: Zurück zu Luther. Paderborn 2016. S. 65 Luther habe in seiner Zwei-Reiche-Lehre streng zwischen der christlichen Liebesgemeinschaft und der politischen Organisation unterschieden.
Ungeliebte Freiheit (2010)
Die „Freiheit des Einzelnen“ begreift Bolz als „historische Anomalie“, die „singulär in der Geschichte und beschränkt auf Europa“ aufgetreten sei. „Sie ist eine unwahrscheinliche evolutionäre Errungenschaft der westlichen Welt, die weder in anderen Kulturen noch in der Natur des Menschen verankert ist“, unterstreicht er.15Norbert Bolz: Ungeliebte Freiheit. Ein Lagebericht. München 2010. S. 42 „Das moderne Dilemma der Freiheit liegt nämlich darin, dass man sie nur wahrnehmen kann, wenn man ökonomisch gesichert ist; aber die Sorge um diese ökonomische Sicherheit wurde zum größten Feind der Freiheit.“16Ebd., S. 44
Daneben sei die Freiheit womöglich wenig geliebt, weil sie eine „Last der Wahl und den Zwang zur Eigenverantwortung“ hervorbringe.17Ebd., S. 51 Freiheit sei damit ein elitäres Programm, das sowohl mit der Demokratie als auch dem Gleichheitsprinzip kollidiere. Freiheit sei somit nur realisierbar als „Vorbild“ statt in Form eines „Weltbildes“. Das Vorbild bleibe aber Ausnahme und tauge nicht als „moralisches Leitbild“.18Ebd., S. 58
Diskurs über die Ungleichheit (2009)
Dass die „Leidenschaft für die Gleichheit sehr groß ist, die Liebe zur Freiheit aber nur sehr mäßig temperiert ist“, wendet Bolz ins Positive, da diese Leidenschaft dazu anspornen könne, das Leistungsniveau der Besten ebenfalls zu erreichen. Dies bezeichnet Bolz als „Gleichheit aus Stärke“. „Aber es gibt auch eine Leidenschaft für die Gleichheit aus Schwäche, wo die Schwachen versuchen, die Starken auf ihr Niveau herabzuziehen. Und in dieser Gleichheitssucht steckt die größte Gefahr der modernen Demokratie, nämlich die Verlockung, einer Ungleichheit in Freiheit die Gleichheit in der Knechtschaft vorzuziehen.“19Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau. München 2009. S. 9
Ungerecht sei vor diesem Hintergrund „nicht die Ungleichheit, sondern das, was motivierte Menschen am Aufstieg hindert“.20Ebd., S. 11 Ein falsches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit als Umverteilung von oben nach unten beseitige daher die Armut nicht, sondern bewirke eine Verstetigung prekärer Verhältnisse. Bolz betont hierzu: „Die meisten politischen Hilfsprogramme ermutigen eine Lebensführung, die zur Armut führt.“21Ebd., S. 17
Die Sinngesellschaft (1997)
Bolz vermutet, daß unsere Gesellschaft gerade deshalb so „unwiderstehlich“ funktioniere, „weil sie sich die Frage nach einem höheren Sinn nicht stellt“.22Norbert Bolz: Die Sinngesellschaft. Berlin 2012. S. 50 „Nach dem Sinn zu fragen heißt, die moderne Gesellschaft nicht zu wollen.“23Ebd., S. 51 Problematisch daran sei, daß die Sinnsucher mit ihren guten Absichten meist die Welt eher verschlechtern statt sie zu verbessern.24Ebd., S. 19
„Und längst wird unsere Demokratie durch die Medienherrschaft der Warner, Mahner, Betreuer, Notstandsstellvertreter und Randgruppenanwälte, der Dauerempörten und chronisch Gekränkten geprägt. Dem entspricht präzise die Political Correctness: das Medienpräparat der Opfer als Helden. Hier kann man sehr deutlich sehen, was geschieht, wenn sich Politik auf Geist bezieht – Stichwort: Universalismus der Menschenrechte. Nur ein Gott könnte dieser Ethik gerecht werden. Die ganze Welt wird zum Gegenstand des Verantwortungsgefühls. Und dem entspricht dann natürlich kein konkretes Handeln mehr.“25Ebd., S. 84
Später schiebt Bolz nach: „Je unmöglicher ein wirklich eingreifendes Handeln ist, desto lauter das Pathos der Betroffenheit.“26Ebd., S. 116
Zitate
„Wenn der Begriff Klimahysterie unangemessen sein sollte, dann deshalb, weil er zu schwach ist. Es wäre in vielen Fällen wohl angemessener, von Paranoia zu sprechen.“27Bolz 2025, S. 32
„Wir leben in einer Zeit, in der der Fortschritt genauso in Verruf geraten ist wie die Tradition. Aber es wäre an der Zeit, wieder zu ihrer Synthese zurückzufinden. In einer Zeit, in der die Macht der Tradition längst gebrochen worden ist, ist Antitraditionalismus einfach nur Borniertheit. Dass der Rückweg zu einer Synthese von Fortschritt und Tradition verbaut ist, liegt daran, dass Modernität sich als die Tradition des Antitraditionalismus verstanden hat, den die Aufklärung begründet hat.“28Ebd., S. 124
„Der gute Bürger ist das Produkt des freien Marktes, der aus privaten Lastern öffentliche Tugenden macht.“29Ebd., S. 136
„Der Wohlfahrtsstaat ist eine gute, humane Idee mit fatalen Folgelasten. Sie fordert eine Politik der vollständigen Inklusion – keiner soll draußen bleiben. Und durch kompensatorische Maßnahmen sollen Ungleichheiten beseitigt werden. Doch jedes wohlfahrtsstaatliche Programm produziert selbst Ungleichheit. Da ausnahmslos alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmen sollen, müssen einige begünstigt werden. Benachteiligt werden – wie Luhmann wunderbar ironisch sagt – nur alle. Als Steuerzahler hält ein jeder die Umverteilungsmaschine in Gang. Und wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass staatliche Interventionen schon allein deshalb legitim erscheinen, weil sie für Umverteilung sorgen. Alles Unglück ist unverdient und begründet einen Anspruch auf Hilfe. Deshalb ist Umverteilung per se gerecht. Das ist der Gefühlssozialismus, auf dem der moderne Wohlfahrtsstaat ruht.“30Bolz 2009, S. 101
Veröffentlichungen (Auszug)
2025: Zurück zur Normalität. Mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand
2020: Die Avantgarde der Angst
2016: Zurück zu Luther
2010: Ungeliebte Freiheit. Ein Lagebericht
2009: Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau
1997: Die Sinngesellschaft
Wikipedia-Korrektur
Unser Beitrag über Norbert Bolz ist zum einen viel aktueller als der Wikipedia-Beitrag. Zudem enthält er keine Unterstellungen. Wikipedia unterstellt Bolz per Kontaktschuld, „in einem dem rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Milieu zugeordneten YouTube-Kanal“ aufgetreten zu sein. Zudem erlaubt es Wikipedia einem anderen Medienwissenschaftler, Bolz als „rechtsradikal“ zu denunzieren.