Alexander Gauland, geboren am 20. Februar 1941 in Chemnitz, ist promovierter Jurist, Bundestagsabgeordneter der AfD und ein konservativer Publizist.
Biographie
Gauland machte 1959 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) Abitur. Noch vor dem Mauerbau flüchtete er nach Westdeutschland. In Marburg und Gießen studierte er Geschichte, Politik und Jura. 1970 erfolgte seine Promotion in Marburg an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät mit einer Arbeit über „Das Legitimitätsprinzip in der Staatenpraxis seit dem Wiener Kongreß“1https://medien.umbreitkatalog.de/pdfzentrale/978/342/802/Leseprobe_l_9783428025695.pdf.
Von 1970 bis 1972 war Gauland Mitarbeiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und von 1974 bis 1975 Presseattaché am Generalkonsulat in Edinburgh.
1975 bis 1977 folgte eine Anstellung bei der Bundestagsfraktion der Union. Danach war Gauland bis 1986 Büroleiter des Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Wallmann. Als Wallmann 1987 hessischer Ministerpräsident wurde, berief er Gauland zum Staatssekretär. Diese Position hatte Gauland bis 1991 inne.
Im Anschluß war er bis 2006 Herausgeber und Geschäftsführer der Märkischen Allgemeinen Zeitung in Potsdam.
Nach seinem Austritt aus der CDU zählte Alexander Gauland 2013 zu den Gründungsmitgliedern der Alternative für Deutschland (AfD). Bis 2017 war er stellvertretender Bundessprecher und von 2017 bis 2019 einer von zwei Bundessprechern. 2014 bis 2017 bekleidete er zudem die Position als Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Brandenburg. Seit der Wahl im Jahr 2017 gehört Alexander Gauland dem Deutschen Bundestag an. Die erste Legislaturperiode war er dabei Fraktionsvorsitzender. 2021 wurde er schließlich zum Ehrenvorsitzenden ernannt.2https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien20/G/gauland_alexander-857328 2025 erreichte er in seiner Geburtsstadt Chemnitz ein Direktmandat.3https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/politik/bundestagswahl/ergebnis-wahlkreis-chemnitz-kandidaten-afd-gauland-100.html
Positionen
Nationalstaat
„Der Nationalstaat ist die größte Leistung politischen Organisationsvermögens, welches die bisherige Geschichte kennt. Er ist vor allem die humanste und zivilisatorisch anspruchsvollste Leistung. Es gibt nirgendwo einen Rechtsstaat, der kein Nationalstaat wäre“, betonte Gauland in einem Vortrag von 2018.4Alexander Gauland: Nation. Populismus. Nachhaltigkeit. Drei Vorträge. Schnellroda 2019. S. 8 „Wenn wir Preußen ausnehmen, das kein Nationalstaat war, gab und gibt es den Rechtsstaat immer nur dort, wo es auch den Nationalstaat gibt.“5Ebd., S. 11
Werden Nationalstaaten geschwächt, gewinnen die „Kräfte der Religion und des Blutes“: „Die alten Clanstrukturen treten wieder zutage, Stämme teilen die Macht im Lande unter sich auf, religiöse und ethnische Minderheiten werden verfolgt.“ Nation „im westlichen Sinne“ bedeute daher: „kein Bürgerkrieg im Konfliktfall.“6Ebd., S. 15
Gauland geht davon aus, daß man sich von diesem Erfolgsmodell erst dann zugunsten eines „Supranationalstaates“ verabschieden dürfe, wenn dieses neue Staatsmodell seine „Funktions- und Zukunftsfähigkeit unter Beweis gestellt“ hätte. „Bislang ist die Geschichte diesen Beweis schuldig geblieben“, schreibt er im Hinblick auf die Europäische Union und frühere Vielvölkerstaaten in Europa wie z.B. Jugoslawien und Österreich-Ungarn.7Ebd., S. 17
Die europäische Einigung nach 1945 erfolgte Gauland zufolge maßgeblich auf Initiative der Amerikaner. „Der Europagedanke war ein politisches Projekt der USA. Die Amerikaner wollten nicht auch noch den Westteil des Kontinents an die UdSSR verlieren, nachdem sie schon halb Asien an Mao Tse-tung verloren hatten“.8Ebd., S. 23f
Was ist konservativ?
2002 schrieb Gauland eine „Anleitung zum Konservativsein„. Das Buch wurde 2017 erneut aufgelegt. Gauland bezeichnet darin den Gedanken einer „konservativen Revolution“ als „logische Unmöglichkeit“9Alexander Gauland: Anleitung zum Konservativsein. Zur Geschichte eines Wortes. Berlin 2017. S. 32.
„Obwohl dieser Begriff von Hugo von Hofmannsthal geprägt wurde, der als genuiner Konservativer kulturelle Traditionen und Ausdrucksformen bewahren wollte, spiegelt sich in diesem Begriff das falsche Denken vermeintlicher Konservativer, die nicht mehr darauf aus sind, Dinge zu bewahren, sondern in einem revolutionären Prozess erst ‚Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt‘.“
Gauland hält dem die skeptische Anthropologie eines Edmund Burke entgegen und plädiert für Maß und Mitte. Denn: „Alle Regierungen, ja alle menschlichen Freuden und Genüsse, jede Tugend und jede kluge Handlung ist auf einen Kompromiss, eine Balance gegründet. Wir wägen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten ab, wir nehmen und geben, wir nehmen einige Rechte nicht in Anspruch, damit wir uns anderer erfreuen können, und wir wollen lieber glückliche Bürger sein als spitzfindige Disputanten“, zitiert Gauland Burke.10Ebd., S. 17f
Darüber hinaus kritisiert Gauland in dem Buch den „globalisierten Kapitalismus“: „Die Wirtschaft ist seit der Wende von 1989 keine konservative Macht mehr, sondern eine egalisierende, aufklärerisch linke. Sie wendet sich gegen nationale Vorurteile und ethnische Begrenzungen, gegen traditionale Lebenswelten und religiöse Tabus. Was früher zur Abstützung des Staates gebraucht wurde, ist nun bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls hinderlich für den Triumph des Marktes.“11Ebd., S. 54 Und weiter: „Der neoliberale Traum funktioniert nur dann, wenn der Mensch keine metaökonomischen Bedürfnisse hat.“12Ebd., S. 69 Gaulands Schlußfolgerung daraus ist, daß es ein neues Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Kultur bräuchte: „Die Moderne ist nur dann aushaltbar, wenn die Unbehaustheit des Wirtschaftssubjekts eine Ergänzung in der Geborgenheit von Kultur und Geschichte findet.“13Ebd., S. 89
Deutsche Geschichte
2009 veröffentlichte Gauland ein Buch über Die Deutschen und ihre Geschichte. Er vertritt darin die These, daß der deutsche Nationalstolz von Anfang an „gebrechlicher“ war als in „England oder Frankreich“. „Die Identifikation fand über keine gemeinsame Weltanschauung, sondern über industrielle und soziale Errungenschaften statt. Das deutsche Selbstbild war im Alltagsleben mit keinem Verhaltenskanon verknüpft“, analysiert Gauland. Dieser Mangel habe nun wiederum einen „aggressiven Nationalismus“ begünstigt. Bismarck sei dabei mit seiner Bündnispolitik derjenige gewesen, der sich der „revolutionär imperialistisch-großdeutschen Politik“, für die im 19. Jahrhundert eine demokratische Mehrheit stand, entgegenstellte.14Alexander Gauland: Die Deutschen und ihre Geschichte. Berlin 2018. S. 84f
Gauland, dem auf Wikipedia seine „Vogelschiss“-Äußerung vorgehalten wird, vertritt in dem Buch zum Nationalsozialismus eine eindeutige Position. Zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schreibt er zum Beispiel:
„Während man also mit guten Gründen die westlichen Zugeständnisse bis zum Münchner Abkommen als sinnvolle Investition in eine neue Friedensordnung interpretieren konnte, waren sie für Hitler nur Schritte auf dem Weg in einen Krieg, den er unbedingt haben musste, wollte er dem deutschen Volk neuen Lebensraum im Osten gewinnen und das Judentum in Europa ausrotten.“15Ebd., S. 126
Der Historiker Stefan Scheil und sein britischer Kollege Richard Overy argumentieren hingegen, daß Hitler 1939 nicht an „Lebensraum im Osten“ dachte und erst recht keinen Weltkrieg vom Zaun brechen wollte. „Der Polenfeldzug war eher als Schlusspunkt zum Jahrzehnt des Reichsaufbaus gedacht, weniger als Prolog zum Weltkrieg“, so Overy wortwörtlich. Im Gegensatz zu Gauland beschreibt Scheil die Außenpolitik Englands unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als aggressiv.
Zum Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 betont Gauland:
„Zum letzten Mal waren die großen preußischen Namen am 20. Juli 1944 in Erscheinung getreten. Im Aufbäumen gegen Hitler verblutete der preußisch-deutsche Konservatismus. Nach dem Kriege gab es jenes Deutschland nicht mehr, das sich von der politischen Kultur Westeuropas dadurch zu unterscheiden suchte, dass es die ‚volkhafte Lebensordnung‘ über den bürgerlichen Staat stellte.“16Ebd., S. 143
Erwähnenswert ist zudem Gaulands Sicht auf die Rolle Rußlands nach der Wiedervereinigung:
„Aus russischer Sicht markiert dieses Ereignis und die Räumung des osteuropäischen Vorfelds aber das Ende einer fast dreihundertjährigen Politik der Ausdehnung nach Westen und Süden, die seit Peter dem Großen zu den Grundlagen russischer Staatsräson gehörte. Vom Schwedischen Krieg über den Siebenjährigen Krieg, von den polnischen Teilungen, den Koalitionskriegen gegen Napoleon, dem Krimkrieg, den Balkankriegen um das türkische Erbe in Europa bis hin zum Handschlag mit amerikanischen Soldaten an der Elbe hatte Russland und später die Sowjetunion versucht, seine Grenzen nach Westen zu verschieben.“17Ebd., S. 158
Veröffentlichungen (Auszug)
2019: Nation. Populismus. Nachhaltigkeit. Drei Vorträge
2009: Die Deutschen und ihre Geschichte
2002: Anleitung zum Konservativsein. Zur Geschichte eines Wortes
Wikipedia-Korrektur
Die politisch von seinen Gegnern skandalisierten Sätze über Boateng (acht Erwähnungen), den „Vogelschiss“ (acht Erwähnungen) und die frühere Migrationsbeauftragte Aydan Özoğuz (15 Erwähnungen) werden auf Wikipedia in den Mittelpunkt seines „publizistischen Wirkens“ gestellt. Das ist falsch. Diese Äußerungen sind nicht mehr als Randerscheinungen. Gaulands Weltbild ist viel eher in seinen Büchern zu suchen und zu finden.