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Ulrike Guérot, geboren 1964 als Ulrike Hammelstein, ist eine deutsche Politik-Professorin und Bestseller-Autorin, die sich vor allem mit Europa beschäftigt. Nach Plagiatsvorwürfen und einer öffentlichen Distanzierung der Universität Bonn1https://www.uni-bonn.de/de/neues/stellungnahme-zu-oeffentlichen-aeusserungen-eines-mitglieds-der-universitaet von ihren politischen Standpunkten erhielt sie eine Kündigung, gegen die Guérot juristisch vorgeht.2https://www.ulrike-guerot.de/ueber-mich/biografie

Biographie

Ulrike Guérot studierte von 1983 bis 1989 in Bonn, Köln und Paris Politik, Geschichte, Philosophie und Öffentliches Recht. 1995 folgte ihre Dissertation über „Die Europapolitik der französischen Sozialisten“. Die Arbeit wurde mit „Summa Cum Laude“ bewertet.

Zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens war sie bereits Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag bei dem CDU-Abgeordneten Karl Lamers. Darauf folgten Stationen bei europäischen Denkfabriken. Unter anderem ist Guérot Gründerin und Direktorin des European Democracy Lab mit einem Jahresbudget von rund 120.000 Euro.

Guérot ist geschieden von dem französischen Diplomaten Olivier Guérot und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen.3https://static1.squarespace.com/static/670e39eeadf2454bb32ffb37/t/6735fb66b65e7a3fddb92162/1731591015814/Ulrike-Guerot_CV-DE.pdf

Professur für Europapolitik an der Universität Bonn

Im September 2021 wurde Guérot Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Bonn. Aufgrund ihres Alters wurde sie allerdings nicht verbeamtet, „sondern als Angestellte im öffentlichen Dienst zu frei ausgehandelten Bezügen unbefristet verpflichtet“ (Alexander Kissler in NZZ vom 24.02.2023).

2022 distanzierte sich die Universität Bonn von Guérot. Zwar gelte die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Dennoch seien „namentlich spekulative, nicht wissenschaftlich belegbare Behauptungen zu unterlassen“. Die Distanzierung galt vor allem Äußerungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Die Universität Bonn machte klar, daß man den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands (…) auf das Schärfste verurteilt“.

2023 erfolgte die Kündigung von Ulrike Guérot nach Plagiatsvorwürfen, die ein nicht-wissenschaftliches Buch von ihr betreffen. Guérot räumte „Zitierfehler“ ein, warf zugleich aber ihren Kritikern vor, die Fehler für eine politische Kampagne zu missbrauchen. In einem Interview mit Matthias Burchardt erklärte sie, „dass der juristisch wahrscheinlich belanglose Plagiatsvorwurf gezielt benutzt wurde, um mich öffentlich zu diffamieren und mundtot zu machen, weil ich mich – und zwar als öffentlich bekannte Person! – sowohl zu den Corona-Maßnahmen wie auch beim Ukraine-Krieg gegen die vorherrschende Meinung gestellt habe“.4Ulrike Guérot/Matthias Burchardt: Das Phänomen Guérot. Demokratie im Treibsand. Hamburg 2023. S. 22f

„Vor Corona war ich in einem politikaffinen Hauptstadtmilieu, eher grün und progressiv. Aus diesem Milieu bin ich inzwischen völlig herausgefallen“, so Guérot. Seitdem werde sie, wie andere Ausgegrenzte, teilweise als „rechts“ bezeichnet“. „Der Begriff ‚rechts‘ ist ja gewissermaßen zum Auffangbecken für alle diejenigen geworden, die nicht mehr in die (moralisierte) Demokratie von heute passen“, schildert sie.5Ebd., S. 43 und S. 47 Noch 2012 hielt Guérot eine Gastrede auf einem Grünen-Parteitag.

Positionen und Kritik

Europäische Republik

Im März 2013 verfaßte Ulrike Guérot zusammen mit Robert Menasse in der FAZ einen Beitrag mit dem Titel „Es lebe die europäische Republik!“. Der Beitrag wurde einem Artikel des AfD-Mitgründers Bernd Lucke gegenübergestellt. Lucke warb für die Gegenposition eines Euro-Austritts der Bundesrepublik. Dennoch gaben auch Menasse und Guérot zu, daß der Euro derzeit eine „transnationale Währung“ sei, „die unmöglich funktionieren kann“. Außerdem schrieben sie: „Das Europa, in dem wir leben, ist in seiner politischen Ökonomie nicht tragfähig und wird implodieren, denn nationale Demokratie und transnationale Wirtschaft fallen auseinander.“

Ihre Schlußfolgerung lautete nun, eine „transnationale Demokratie“ in Form einer europäischen Republik mit „gleichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten und Regeln für alle“ zu schaffen. In einer solchen europäischen Republik müßten „die Gewinne der gesamteuropäischen Wertschöpfungskette transnational verteilt und dabei eine ökonomische Balance zwischen Zentrum und Peripherie gefunden werden. In dieser Logik würde eine europäische Arbeitslosenversicherung in der Rezession die Wende zu einem europäischen Wohlfahrtssystem erfahrbar machen. Eine solche Versicherung würde identitätsstiftend wirken“, erhofften sich Guérot und Menasse.

Aufsehen erregte später ein erfundenes Zitat in dem Beitrag. Walter Hallstein soll gesagt haben: „Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee!“ Guérot und Menasse resümierten: „Dieser Satz ist die Wahrheit.“ Menasse konnte für dieses Zitat keine Quelle angeben und korrigierte gegenüber der WELT, Hallstein habe das „nie so zugespitzt“ geäußert. Guérot ergänzte, es sei „dumm gewesen, das nicht zu überprüfen“.

Europa in einer multipolaren Welt

Auch nach ihrem Abschied vom eher grünen Milieu hielt Ulrike Guérot daran fest, „die nationalen Grenzen zu überwinden und eine europäische, dezentrale und föderale Demokratie auf der Grundlage gleicher Bürgerrechte“ zu schaffen. Eine solche Europäische Republik, die idealerweise 2045, d.h. 100 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, gegründet werde, bezeichnet sie als „Bollwerk gegen ‚Cimerika‘ (und) gegen die transhumanistische Agenda“. Weiter sagt sie: „Wenn Europa sich nicht endlich emanzipiert, wird es zwischen den USA und China de facto filetiert.“ Folglich gehe es „um ein Europa ohne, nicht gegen Amerika“. Nur dann sei eine „gleichberechtigte Partnerschaft“ möglich.6Das Phänomen Guérot, S. 120ff

Feminismus, Künstliche Intelligenz und Transhumanismus

Guérot lädt sowohl ihren Gedanken, Europa müsse sich von den USA emanzipieren, als auch die Debatte um Künstliche Intelligenz sowie technischen Fortschritt mit feministischen Gedanken auf. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos argumentierte sie 2020 laut eigener Auskunft in der Tradition von Hannah Arendt, daß die „transhumanistische Agenda“ ein „Angriff auf die Weiblichkeit, also auf das Wissen um Natur und Leben“ sei. Den Transhumanismus interpretiert sie dabei als „männliche Agenda“. Künstliche Intelligenz, Roboter, Digitalisierung und Finanzbranche betrachte sie als „eher männlich besetzt“.7Ebd., S. 100 und S. 104

Veröffentlichungen (Auszug):

2022: Endspiel Europa. Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist und wie wir wieder davon träumen können. (mit Hauke Ritz)

2022: Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit. Und darüber, wie wir leben wollen. (Spiegel-Bestseller)

2016: Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie.

Wikipedia-Korrektur

Die Kapitelüberschriften des Wikipedia-Beitrags über Ulrike Guérot insinuieren, daß ihre vom Zeitgeist abweichende Sicht der Dinge falsch sein muß, der erhobene Plagiatsvorwurf aber richtig sei. Damit macht sich Wikipedia die Sicht der Kritiker zu eigen und nimmt – juristisch betrachtet – eine Vorverurteilung vor.

Pressefoto von Ulrike Guérot: Manuela Haltiner

Fußnoten